# taz.de -- Europa und der Krieg in Libyen: Zeit für eine Friedensinitiative
> Europa sollte einen Vorstoß wagen, um in Libyen einen Friedensprozess zu
> starten. Zivile Akteure sind gefragt.
IMG Bild: Kämpfer der international anerkannten Regierung nach General Haftars Rückzug
Wahrscheinlich wissen nicht einmal die Kämpfer in Libyen, ob der
Zusammenbruch von General Haftars [1][Belagerung der Hauptstadt Tripolis]
die Tür zum Frieden öffnet oder den Krieg jetzt erst recht eskalieren
lässt. Zunächst einmal sieht es so aus, als sei die alte Ost-West-Teilung
des Landes wiederhergestellt: der Westen samt Tripolis in den Händen der
dortigen Milizen und der von ihnen gestützten Regierung, der Osten um
Bengasi und Tobruk in den Händen Haftars und des unter seine Fittiche
geflohenen Parlaments. Aber diese Konstellation war schon in der
Vergangenheit nicht stabil. Mit der militärischen Wende ist keine einzige
politische Frage geklärt.
Kurzfristig steht Libyen jetzt vor einem [2][Kräftemessen um Sirte]. Die
Stadt im zentralen Bereich der libyschen Mittelmeerküste war schon immer
symbolträchtig. Der einstige libysche Diktator Muammar al-Gaddafi wurde
dort geboren und getötet; er gründete dort seinerzeit die Afrikanische
Union und rief Sirte zur „Hauptstadt Afrikas“ aus. Die versprengten
Gaddafi-Loyalisten gründeten später in Sirte einen kurzlebigen
Libyen-Ableger des „Islamischen Staates“ (IS). Zuletzt war Sirte ein
Faustpfand zwischen Ost und West: für die westlibyschen Milizen das
Sprungbrett Richtung Osten und Ölindustrie, für die ostlibyschen Kämpfer
Richtung Hauptstadt. Jetzt ist es wieder umkämpft – die Trophäe des
Krieges.
[3][Die ausländischen Mächte Russland und Türkei,] von deren Unterstützung
die Kampfkraft der libyschen Kriegsparteien abhängt, könnten sich nun nach
dem Vorbild Syrien darauf verständigen, den Sirte-Konflikt einzufrieren, um
auf dieser Grundlage eine politische Lösung voranzutreiben. Aber weder die
Nennung Syriens als Vorbild noch die syrischen Erfahrungen mit Russland und
der Türkei geben Anlass zur Hoffnung, dass daraus Frieden entstehen kann –
ganz zu schweigen davon, dass noch kein Kriegsführer in Libyen die eigenen
Zusagen eingehalten hat.
Hätte Europa eine weitsichtige Diplomatie, würde es diese Chance ergreifen
und einen eigenen Vorstoß zu einem Friedensprozess in Libyen wagen. Der
Schlüssel dazu liegt nicht in ebenso hochkarätigen wie folgenlosen
Konferenzen in Berlin, sondern in Friedensarbeit in Libyen selbst. Als
Erstes müssten zivile Gesprächspartner vor Ort identifiziert werden, als
Alternative zu den Warlords. Die Waffen haben genug gesprochen. Jetzt
sollte man den Menschen zuhören.
8 Jun 2020
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## AUTOREN
DIR Dominic Johnson
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