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       # taz.de -- Christopher Street Day: Ein neuer Regenbogen
       
       > Der CSD entstand als Aufstand Schwarzer und Queers of Color – gegen
       > Polizeigewalt. Dieser Ursprung sollte besonders jetzt sichtbar werden.
       
   IMG Bild: Vorschlag einer neuen Pride-Fahne. Der Entwurf stammt von US-Designer*in Daniel Quasar
       
       Normalerweise würde ich dieser Tage anfangen, über den Christopher Street
       Day nachzudenken. Sechs Wochen vor der großen Pride-Parade würde ich mir
       erste Gedanken machen. Was anziehen – bequem oder extravagant? Geht man mit
       Baby zum lautesten, besoffensten queeren Event Berlins, oder lässt man Baby
       lieber daheim (mit wem)? Mag der andere Mann als kinky Paar auftreten, oder
       halten wir es casual?
       
       Das wird in seiner gewohnten Form ausfallen – Großveranstaltungen bleiben
       vorerst untersagt. Ich bin nicht traurig darüber. Ehrlich gesagt bin ich
       erleichtert.
       
       Ich hab den CSD nie gehasst, so, wie manch andere*r ihn hasst als
       unpolitisches Saufgelage mit irgendwelchen Firmen, die keine Steuern
       zahlen, aber sich über ihr Diversitymanagement freuen. Ich fand das immer
       okay: Blümchenheten haben Volksfeste sponsored by Audi, unser queeres Fest
       ist sponsored by Facebook. Außerdem: Sich zeigen, in Queerness, ist
       Politik genug. Einfach da sein und Spaß haben reicht als Widerstand gegen
       alle, die uns nicht sehen wollen. Zumindest nicht so. Gegen alle, für die
       wir uns sonst verstellen.
       
       Das Privileg und zugleich der Fluch der Queers als Minderheit ist, dass wir
       uns mittels Verkleidung vor Gewalt schützen können. Die Gewalt geht dadurch
       nicht weg, wir internalisieren sie, das ist der Preis – aber die
       Möglichkeit besteht. Die meisten von uns, glaube ich, nutzen sie täglich.
       
       ## Aufstand gegen Polizeigewalt
       
       Die Rassismuserfahrung ist völlig anders, weil es gegen rassistische Gewalt
       keine Verkleidung gibt. Die Erfahrung Schwarzer Queers und Queers of Color
       unterscheidet sich von der von uns weißen Queers. Wir gehen unbehelligt
       durch die Straßen, solange wir aussehen, laufen, uns kleiden und reden, wie
       es genehm ist. Als Ausgleich für und als Ventil gegen den Selbsthass, der
       sich dadurch in uns aufbaut, bekommen wir einen CSD.
       
       Ein CSD nach dem Muster der vergangenen Jahre hätte jedoch jetzt, im
       Kontrast zu den Black-Lives-Matter-Demos, vor allem eins getan: noch mal
       zur Schau gestellt, was weiße cis Queers sich mittlerweile erlauben können,
       wenn das Setting stimmt. Der CSD ist aber entstanden als Aufstand Schwarzer
       und Latina trans Frauen und Dragqueens. Gegen Polizeigewalt. 51 Jahre ist
       das her. Wir vergessen es immer mal wieder, weil sich der Tag als
       festlicher Spaziergang weißer cis Männer eingebrannt hat.
       
       In den sozialen Medien wird derzeit ein Vorschlag für eine neue
       Pride-Flagge lanciert. Der Entwurf stammt von US-Designer*in Daniel Quasar
       und ergänzt die Regenbogenflagge durch braune und schwarze Streifen für die
       Rassismuserfahrung sowie durch die Farben des trans Pride. Die neuen Farben
       liegen dabei „quer“ zum Regenbogen, sie treffen sich, interagieren,
       existieren in Wechselwirkung, können nicht weggeschnitten werden.
       Vielleicht ist das auch die Gelegenheit, den Pride neu zu denken. Oder
       nicht neu. Sondern traditionell.
       
       12 Jun 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Weissenburger
       
       ## TAGS
       
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