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       # taz.de -- Corona-Tests an Symptomlosen: Das große Test-Theater
       
       > Seit dieser Woche bezahlen die Krankenkassen die Corona-Abstriche bei
       > allen. Doch was das für Bremen heißt, ist unklar.
       
   IMG Bild: Tritratrullala, Coronatest ist wieder da.
       
       BREMEN taz | Coronatests an Symptomlosen [1][werden seit Dienstag von den
       gesetzlichen Krankenkassen bezahlt] – rückwirkend bis zum 14. Mai. Zuvor
       wurden die Kosten nur übernommen, wenn ein begründeter Verdacht bestand,
       dass jemand tatsächlich krank ist.
       
       Was das für Bremen bedeutet, war am gestrigen Mittwoch noch offen. Der
       Sprecher der Bremer Gesundheitssenatorin kündigte an, dass im Laufe der
       nächsten zwei Wochen eine Teststrategie veröffentlicht werden solle, die
       noch in Abstimmung sei.
       
       Bisher hatte Bremen die Kosten übernommen, wenn das Gesundheitsamt bei
       [2][Corona-Ausbrüchen in Heimen] und Kliniken Untersuchungen von
       symptomlosen Kontaktpersonen Infizierter angeordnet hatte – diese Kosten
       bekommt die Stadtgemeinde jetzt offenbar erstattet.
       
       Unklar ist hingegen der Umgang mit Tests, die nur „empfohlen“, nicht aber
       angeordnet werden. Das betrifft vor allem Quarantänefälle in Schulen.
       
       ## Wer testet Schüler*innen?
       
       Seit vier Wochen [3][steht auf der Homepage der Bildungssenatorin]: „Alle
       Schüler*innen der betroffenen Klassengruppe, die bis zwei Tage vor
       Symptombeginn in der Gruppe zusammen waren, gelten als Kontakte mit
       erhöhtem Infektionsrisiko und müssen ab sofort für 14 Tage in häusliche
       Isolierung.“ Und weiter: „Sie sollten um den siebten Tag nach Kontakt einen
       Test durchführen lassen über den Hausarzt/ den Kinderarzt.“
       
       Doch die niedergelassenen Ärzt*innen mussten bisher den Eltern sagen, dass
       sie ohne Symptome die Kosten in Höhe von 150 Euro für die Tests selbst
       tragen müssen. Denn das Gesundheitsamt hatte klargestellt, es handle sich
       nur um „eine Empfehlung“ und keine „behördliche Weisung“.
       
       Das hatte die Amtsleitung auf Nachfrage dem Hausärzteverband mitgeteilt,
       der [4][die Antwort auf seine Homepage gestellt] hat. „Die Testung am
       siebten Tag ist somit eine Option, dies in Würdigung des zunehmenden
       politischen / öffentlichen Drucks hin zu ‚mehr Testungen‘. Es bleibt Ihnen
       somit unbenommen, selbst über eine Testung zu entscheiden.“
       
       Hans-Michael Mühlenfeld, der Vorsitzende des Verbands, in dem rund 300 von
       400 Bremer Hausärzt*innen Mitglied sind, ärgert sich über diese Verlagerung
       der Verantwortung auf die Ärzt*innen. „Das ist eine unmögliche Situation“,
       sagt er. So müssten er und seine Kolleg*innen den Leuten entweder eine
       Rechnung stellen – oder so lange nachfragen, ob nicht jemand doch ein
       bisschen Halskratzen habe, bis dieser mit „ja“ antwortete – dann gilt die
       Person als Verdachtsfall und die Kasse zahlt.
       
       ## Eltern sind verängstigt
       
       Dasselbe sagt [5][Torsten Spranger, Sprecher des Berufsverbands der Kinder-
       und Jugendärzte] im Land Bremen. „Eltern werden derzeit unnötig hin und her
       geschickt und sind teils verängstigt.“
       
       Für Eltern besonders abschreckend sei es, wenn sie hören, dass sie den
       Abstrich nicht beim Kinderarzt oder der Kinderärztin durchführen lassen
       können, sondern in eine der Corona-Ambulanzen gehen müssen, sagt Spranger.
       Denn in diesen Ambulanzen melden sich überproportional viele tatsächlich
       Infizierte. Daher würden wohl die meisten Kolleg*innen die Kinder selbst
       testen.
       
       Seit dieser Woche, so hat es der Bundesgesundheitsminister am Dienstag
       verkündet, sollen also Kinder- und Hausärzt*innen bei Symptomlosen ganz
       regulär einen Abstrich auf Kassenkosten machen können. Doch das gilt bisher
       nur in der Theorie. In der Praxis seien die Ärzt*innen nach wie vor an die
       Richtlinien gebunden, nach denen nur begründete Verdachtsfälle getestet
       werden sollen, sagt Torsten Spranger, Sprecher der Bremer Kinderärzte.*
       
       ## Derzeit nur „Empfehlungen“ vom Gesundheitsamt
       
       Für Verwirrung sorgt zudem, dass noch offen ist, in welchen Fällen die
       niedergelassenen Ärzt*innen an die beiden zentralen Anlaufstellen für
       Coronatests überweisen sollen, die genau gleich heißen, aber
       unterschiedliche Zielgruppen haben.
       
       In der seit März von der städtischen Krankenhausgesellschaft Geno
       betriebenen [6][„Corona-Ambulanz“ in den Messehallen] sollen Tests
       durchgeführt werden, „die durch das Gesundheitsamt veranlasst werden
       (Schulen, Kitas, Betriebe etc.)“, schreibt der Sprecher der
       Gesundheitssenatorin der taz. Wobei es ja derzeit keine durch das
       Gesundheitsamt veranlassten Tests von Schüler*innen gibt – lediglich eine
       Empfehlung.
       
       Seit zehn Tagen und damit drei Monate nach Beginn der gefährlichsten Phase
       der Pandemie gibt es in der Vahr eine [7][zweite „Corona-Ambulanz“,
       betrieben von der kassenärztlichen Vereinigun]g. Diese soll der Entlastung
       der niedergelassenen Ärzt*innen dienen, die dorthin überweisen können, wenn
       sie entweder durch eine Untersuchung oder einen telefonischen Kontakt einen
       Hinweis auf eine Infektion haben.
       
       ## Lücke im System
       
       Sie war bisher ausschließlich zuständig für den Test von Menschen mit
       Symptomen – aber auch nur für den Test. Das Ergebnis teilt diese
       Corona-Ambulanz wiederum den überweisenden Ärzt*innen mit, die auch für die
       weitere Behandlung zuständig sind.
       
       Der Hausärzteverband ist über diese Lösung nicht glücklich. „Die
       Verantwortung für den Patienten ist nicht geregelt“, fürchtet deren
       Vorsitzender Hans-Michael Mühlenfeld, „da bleiben Lücken im System“. Zum
       einen würden dort Patient*innen vorstellig, ohne dass die Ambulanz diese
       erwartet habe, etwa weil ein Fax verloren gegangen sei.
       
       Zum anderen würde eine besonders gefährdete Gruppe nicht versorgt werden
       können: diejenigen, die bereits zu krank sind, um in die Ambulanz oder zum
       Arzt zu fahren, aber auch noch nicht krankenhausreif. „Gerade die müssen
       wir besonders im Blick haben und den Test dann eben bei einem Hausbesuch
       machen.“
       
       Nun gibt es eine dritte Struktur, die einen Teil dieser Patient*innen
       auffängt. Der Hausärzteverband hat bereits Ende März [8][die so genannten
       gemeinsamen Infekt-Untersuchungs-Stellen (Gius)] aufgebaut, derzeit gibt es
       davon laut Mühlenfeld fünf – in regulären Arztpraxen, die dafür eigene
       Sprechzeiten eingerichtet haben.
       
       Diese wurden in einer Zeit gegründet, in der es so gut wie keine
       Schutzausrüstung gab und Ärzt*innen ohne einfache Gesichtsmasken
       untersuchen mussten. 50 Praxen – von 400 – haben sich hier
       zusammengeschlossen, sie schicken ihre Patient*innen dorthin zur
       Untersuchung beziehungsweise zum Abstrich, wenn sie ihn nicht selbst machen
       können oder wollen. Auch Hausbesuche sollen diese Gius machen, sagt
       Mühlenfeld. Wie sonst auch jeder Arzt und jede Ärztin. „Das ist unsere
       Verantwortung“, sagt er.
       
       * Dieser Satz wurde nach Redaktionsschluss der gedruckten Ausgabe
       hinzugefügt.
       
       11 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Verbreitung-von-Corona-in-Deutschland/!5688111
   DIR [2] /Corona-im-Altenheim/!5683175&s=alloheim/
   DIR [3] https://www.bildung.bremen.de/sixcms/media.php/13/Anlage2_Umgang_mit_Corona-Faellen_in_Schulen.pdf
   DIR [4] https://www.hausaerzteverband-bremen.de/PDFs/Rundfax220520.2.pdf?m=1590150928&
   DIR [5] /Kinderarzt-ueber-Corona-Massnahmen/!5678362&s=torsten+spranger/
   DIR [6] https://www.gesundheitnord.de/patientundbesucher/aktuelle-informationen-zum-coronavirus/corona-ambulanz-messehalle-5-und-6-bremen.html
   DIR [7] https://www.kvhb.de/coronavirus-aktuelle-nachrichten#29.05.2020
   DIR [8] https://www.hausaerzteverband-bremen.de/PDFs/2020_04_27_GIUS_Sued2_Praxisablauf_Infoblatt1.3.pdf?m=1589614107&
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
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