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       # taz.de -- Ökologisch aus der Krise: Klima braucht Kommunen
       
       > Umweltministerin Schulze stellt ein sozialökologisches Konjunkturprogramm
       > vor. Ohne finanziell stabile Städte und Gemeinden ist das sinnlos.
       
   IMG Bild: Viel zu tun, aber kein Personal. Mit dem neuen Konjunkturprogramm soll sich das ändern
       
       Otto Neuhoff ist Bürgermeister von Bad Honnef. Die Stadt am Rhein nahe Bonn
       hat fast 26.000 Einwohner, der Parteilose hat ein Problem: „Wir haben zum
       dritten Mal eine Stelle für einen Tiefbauingenieur für Straßensanierung
       ausgeschrieben, weil sich die ersten beiden Male keiner beworben hat“, sagt
       Neuhoff.
       
       Das könnte zu einem Problem auf dem Weg aus der Coronakrise werden. Was
       Neuhoff erlebt, steht derzeit exemplarisch für ärmere Kommunen, viele davon
       in Nordrhein-Westfalen: Bad Honnef musste jahrelang extrem sparen, nicht
       nur bei den Investitionen, sondern auch beim Personal. Das hatte Folgen:
       Gerade nicht so begüterte Gemeinden kommen schwerer an Fördermittel von
       Bund oder Länder ran.
       
       Es gibt zwar Zuschüsse für Brücken- oder energetische Gebäudesanierungen,
       doch die Kämmerer müssen stets einen Teil selbst finanzieren – was oft
       schwer ist. „Doch selbst wenn die Mittel da sind, viele Kommunen durften
       jahrelang kaum Personal einstellen. Jetzt fehlen die Leute, die überhaupt
       Geld verplanen können“, sagt Neuhoff. Anders ausgedrückt: Wenn die
       Bundesregierung gern Millionen von Ladesäulen für Elektroautos aufstellen
       und das fördern lassen will, dann hat gerade in klammeren Regionen der
       Sparzwang verhindert, dass heute genug Personal ist, das auch umzusetzen.
       
       Immerhin scheint Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) das Problem
       erkannt zu haben. Sie hat eine Studie [1][erstellen lassen], für eine
       „sozialökologisch ausgerichtete Konjunkturpolitik in und nach der
       Coronakrise“. Deutschland müsse klimafreundlicher, gerechter und
       krisenfester werden und Konjunkturprogramme entsprechend gestalten, sagte
       sie.
       
       Das heißt dann konkret: Familien sollen für jedes Kind 2020 und 2021
       jeweils 500 Euro bekommen – 200 mehr als der Corona-Familienbonus, den
       Finanzminister Olaf Scholz (SPD) offenbar pro Kind verteilen will: Statt
       Abwrackprämie für Autos will Schulze so 7,5 Milliarden Euro Umstiegsprämie
       an die ausschütten, die sich ÖPNV-Zeitkarten, Fahrräder oder E-Bikes
       anschaffen wollen.
       
       ## Scholz' Schutzschirm
       
       Außerdem soll die energetische Gebäudesanierung forciert, erneuerbare
       Energien deutlich schneller ausgebaut werden, etwa durch einen Zuschuss von
       20 Prozent für Solaranlagen, um nur einige Bespiele zu nennen.
       
       Viele dieser Forderungen sind nicht neu, wohl aber Schulzes Fokus auf die
       Kommunen. Deren ausreichende Finanzausstattung stelle eine wesentliche
       Bedingung für eine ökologisch sinnvolle konjunkturelle Erholungsstrategie
       dar. Auch hier fordert Schulze Ähnliches wie Scholz, der sich einen
       [2][Milliardenschutzschirm für Kommunen] wünscht. Nur: Teile der Union sind
       dagegen. Dabei wäre die Übernahme kommunaler Schulden und weitere Hilfen
       auch ökologisch sinnvoll.
       
       Für Bürgermeister Neuhoff ist es mit Konjunkturhilfen für Kommunen allein
       ohnehin nicht getan. „Es wäre dringend erforderlich, dass grundlegende
       Entscheidungen getroffen werden“, sagt er. So könnten etwa die Länder
       grundsätzlich die Verantwortung zum Erhalt der Schulgebäude übernehmen.
       
       Ironischerweise gibt es ein weiteres Problem derzeit nicht, das zuletzt
       verhindert hat, dass Kommunen Straßen oder Parks sanieren: Noch im Februar
       schrieb der Deutsche Städtetag, dass die Bauindustrie in Deutschland so
       ausgelastet sei, dass viele Kommunen trotz mehrfacher Ausschreibung keine
       Auftragnehmer fanden. Selbst wenn Planung und Geld für den neuen Gehweg da
       waren, gab es niemanden, der Zeit hatte, ihn zu bauen.
       
       25 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Wirtschaft_und_Umwelt/sozial_oek_konjunkturpolitik_forschungsvorhaben_bf.pdf
   DIR [2] /Steuerausfaelle-durch-die-Corona-Pandemie/!5686074
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
       
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