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       # taz.de -- Ende der Ära Bouterse in Surinam?: Surinam hofft auf Veränderung
       
       > Bei den Parlamentswahlen in Surinam erleidet die Partei des Präsidenten
       > und Ex-Diktators Desi Bouterse eine Niederlage. Grund ist die
       > Wirtschaftskrise.
       
   IMG Bild: Bouterse-Gegner und Hoffnungsträger in Surinam: Chan Santokhi von der Fortschrittlichen Reformpartei
       
       Köln taz | Die Partei des amtierenden Präsidenten Desiré „Desi“ Bouterse
       steuert bei den Parlamentswahlen in Surinam nach vorläufigen Ergebnissen
       auf eine Niederlage zu. Nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen verlor
       die Nationaldemokratische Partei NDP zehn Sitze im 51-köpfigen Parlament –
       und damit die Mehrheit. Sie kam auf nur noch 16 Sitze, die oppositionelle
       VHP des ehemaligen Justizministers Chan Santhokhi erreichte 20 Sitze.
       
       Am Montag waren rund 350.000 Wahlberechtigte an die Urnen gerufen worden.
       Die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie wurden vorübergehend
       aufgehoben. Am Wahltag gab es Berichte über Chaos, Unregelmäßigkeiten und
       Wahlbetrug. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Stimmen erneut gezählt
       werden müssen.
       
       Surinam ist das kleinste Land Südamerikas, nur knapp halb so groß wie
       Deutschland und fast völlig von tropischem Regenwald bedeckt. Die Hälfte
       der rund 600.000 Einwohner lebt in der Hauptstadt Paramaribo, die anderen
       verstreut an der Küste oder im tiefen Urwald.
       
       Die Bevölkerung ist ein buntes Gemisch aus Ethnien und Religionen. In der
       ehemaligen niederländischen Kolonie leben Menschen afrikanischer,
       indonesischer, indischer, europäischer, chinesischer, brasilianischer und
       indigener Herkunft.
       
       ## Bouterse: Putschist, Präsident, verurteilter Mörder
       
       Desi Bouterse ist seit vierzig Jahren der wahrscheinlich mächtigste Mann
       des Landes. 1980, nur fünf Jahre nach Surinams Unabhängigkeit, putschte er
       sich an die Macht. Sieben Jahre später musste er durch internationalen
       Druck den Weg für eine zivile Regierung frei machen.
       
       Nach nur drei Jahren führte er wieder einen Staatsstreich an und kam zurück
       an die Macht. 1992 trat er als Militärchef zurück, behielt aber weiterhin
       großen Einfluss. 2010 wurde Bouterse bei demokratischen Wahlen zum
       Präsidenten gewählt und gewann auch die Wiederwahl 2015.
       
       Bisher schien an ihm alles abzuprallen: schwere Korruptionsvorwürfe,
       Verurteilung wegen Drogenhandels, Verurteilung wegen Mordes. Der heute
       74-Jährige wurde im November 2019 wegen Beteiligung an der Tötung von 15
       Oppositionellen 1982 zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Das
       Berufungsverfahren gegen das Urteil ist noch nicht abgeschlossen.
       
       „Besonders arme Surinamer vertrauen auf ihn, weil er etwas für sie zu tun
       scheint“, sagt der surinamische Journalist Johannes Damodar Patak. So hat
       Bouterse diesmal vor den Wahlen eine zehn Kilometer lange Straße anlegen
       lassen, finanziert mit chinesischem Geld.
       
       ## Hoffnung auf Wiederaufbau
       
       Surinam ist nämlich komplett pleite. „Wegen der extremen Korruption und
       weil viel Geld in Infrastrukturprojekte gesteckt wurde, die nur dem
       Wahlkampf dienen“, so Patak. Surinam lebt von Gold, Erdöl, Bauxit und Holz.
       Durch die niedrigen Rohstoffpreise schrumpfte die Wirtschaft 2016 um mehr
       als 10 Prozent – und erholte sich nicht mehr.
       
       „Jetzt rechnen die Menschen mit dem Versagen der letzten Jahre ab“, sagt
       Patak. „Die Wirtschaft ist kaputt, unser Geld nichts mehr wert,
       Lebensmittel und andere Waren werden immer teurer und sehr viele Menschen
       sind von Essenspaketen abhängig. Wäre der Wechselkurs besser, hätte
       Bouterse die Wahlen wieder gewonnen, ganz sicher.“
       
       Der globale Wirtschaftsabschwung infolge der Corona-Krise wird die
       Situation noch verschärfen. Dabei ist Surinam weiterhin reich an
       Rohstoffen, erst im Januar sind zwei Ölfelder vor der Küste entdeckt
       worden.
       
       Die Hoffnungen, vor allem die der jungen Surinamer, liegen auf Chan
       Santokhi. Er ist seit Jahren einer der größten Gegner von Bouterse und wird
       mit seiner „Fortschrittlichen Reformpartei“ VHP dieses Jahr wohl als großer
       Wahlsieger hervorgehen. Der Präsident wird im August vom Parlament bestimmt
       und benötigt dafür eine Zweidrittelmehrheit. Der Kampf um die
       Abgeordnetenstimmen dürfte hart werden – für Bouterse steht seine Freiheit
       auf dem Spiel.
       
       27 May 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christina Weise
       
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