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       # taz.de -- Umstrittenes Kohlekraftwerk: Presse aus Datteln verbannt
       
       > Die Polizei verbietet mehreren Journalisten, von den Protesten gegen den
       > Start des Kohlekrafwerks zu berichten. Ein Gericht hat das nun gekippt.
       
   IMG Bild: Sollte für Reporterin Anett Selle tabu sein: Berichterstattung von Protesten am Kraftwerk Datteln
       
       Berlin taz | Wenn an diesem Samstag das umstrittene neue Kohlekraftwerk
       [1][Datteln 4 den Regelbetrieb aufnimmt], wird es rund um das Gelände
       wieder zu Protesten von UmweltschützerInnen kommen, die vor dessen
       Auswirkungen aufs Klima warnen.
       
       Doch [2][Anett Selle], die für die taz als Reporterin und Live-Streamerin
       schon von vielen Klimaschutz-Aktionen aus Nordrhein-Westfalen berichtet
       hat, sollte die Aktionen diesmal nicht aus der Nähe verfolgen dürfen: Die
       Polizei Recklinghausen hat der freien Journalistin für drei Monate ein
       offizielles Aufenthaltsverbot erteilt, das neben dem Gelände des Kraftwerks
       selbst auch mehrere benachbarte öffentliche Straßen umfasst – darunter jene
       vor dem Eingang zum Kraftwerk, auf der am Samstag Mahnwachen geplant sind.
       
       Als Begründung nennt die Polizei, dass Selle Anfang Februar im Auftrag des
       WDR von einer [3][Protestaktion auf dem Kraftwerksgelände] berichtet hat.
       Der Energiekonzern Uniper, der Datteln 4 betreibt, hat darum Anzeige wegen
       Hausfriedensbruch gestellt; eine Entscheidung darüber ist bisher nicht
       gefallen. Es sei „davon auszugehen“, dass sie sich „erneut Zutritt zum
       Gelände des Kraftwerks Datteln 4 verschaffen könnte“, behauptet die Polizei
       in einer Verfügung, die Selle in dieser Woche zugestellt wurde. Andere
       MedienvertreterInnen, die ebenfalls bei der Aktion dabei waren, bekamen
       ähnliche Post.
       
       Dass die Reporterin durch das Aufenthaltsverbot rund um das Kraftwerk ihren
       Beruf nicht nachgehen kann, bestreitet die Polizei. „Es besteht keine
       Notwendigkeit für Sie, für Ihre Berichterstattung das Gelände zur Erlangung
       von Informationen zu betreten“, schreibt das Polizeipräsidium
       Recklinghausen. Denn: „Die Pressestelle der Polizei steht Ihnen außerhalb
       des Verbotsbereichs für Fragen zur Verfügung.“ Dass seriöse JournalistInnen
       sich lieber aus erster Hand informieren, scheint man sich dort nicht
       vorstellen zu können.
       
       ## Selle setzt sich juristisch zur Wehr
       
       Gegen diese massive Beschränkung der Pressefreiheit setzt sich Selle
       juristisch zur Wehr. „Dass die Polizei mich zu einer ‚Gefahr für die
       öffentliche Sicherheit‘ erklärt und in die Freiheit der Berichterstattung
       eingreift, ist völlig inakzeptabel“, sagt sie. Ob eine Entscheidung noch
       rechtzeitig vor den Protesten fällt, war am Freitag noch offen.
       
       Ein weiterer betroffener Journalist, der Fotograf Björn Kietzmann, hat
       bereits einen Zwischenerfolg erzielt: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
       setzte sein Aufenthaltsverbot am Donnerstag vorläufig außer Kraft. Das sei
       erforderlich, um „wesentliche Nachteile“ für den Journalisten zu vermeiden,
       entschied das Gericht unter ausdrücklichen Verweis auf den
       Pressefreiheits-Paragrafen des Grundgesetzes. Eine endgültige Entscheidung
       fällt zu einem späteren Zeitpunkt.
       
       Als Reaktion auf diese vorläufige Gerichtsentscheidung erklärte das
       Polizeipräsidium Recklinghausen am Freitag Nachmittag, dass nun auch alle
       anderen betroffenen JournalistInnen von den Protesten am Samstag berichten
       dürfen. Dabei erweckt die Pressestelle in einer [4][Mitteilung] den
       Eindruck, dass dies von Anfang an so vorgesehen war – was eindeutig im
       Widerspruch zum Wortlaut des offiziellen Bescheids steht, der ein
       berechtigtes Interesse der Presse am Aufenthalt in der Nähe des Kraftwerks
       ausdrücklich verneint hatte.
       
       29 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Datteln-IV-geht-ans-Netz/!5688920
   DIR [2] https://twitter.com/anettselle?lang=en
   DIR [3] /Aktivistin-ueber-Kohlekraftwerk-Datteln/!5657920
   DIR [4] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/42900/4609895
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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