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       # taz.de -- Angriffe der Türkei im Nordirak: Mit Drohnen gegen die PKK
       
       > Die Türkei hat erstmals seit Monaten PKK-Stellungen im Nordirak
       > angegriffen. Zugleich verbot Ankara zwei geplante Protestmärsche.
       
   IMG Bild: Protest der HDP in Istanbul am 6. Juni
       
       Istanbul taz | Erstmals in diesem Jahr hat die türkische Luftwaffe wieder
       in großem Umfang kurdische Ziele im Nordirak angegriffen. In der Nacht auf
       Montag wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Ankara 81 Ziele
       in verschiedenen Regionen im Nordirak bombardiert.
       
       Dabei soll es sich um Stellungen und Verstecke der kurdischen PKK-Guerilla
       gehandelt haben. Etliche Höhlen, in denen sich PKK-Kämpfer verborgen
       gehalten hätten, seien zerstört worden. Angaben über Tote und Verletzte gab
       es zunächst nicht.
       
       Stolz meldete das Militär, bei dem Angriff seien neben zwanzig
       Kampfflugzeugen auch Drohnen und Tankflugzeuge zum Einsatz gekommen. Die
       eingesetzten Präzisionsraketen seien aus eigener türkischer Produktion
       gewesen.
       
       Wie schon mit ihren [1][Drohnen in Libyen] und Syrien wollte die türkische
       Luftwaffe nun offenbar auch gegenüber der PKK eine Machtdemonstration mit
       ihren neuen Präzisionswaffen durchführen. Schon vor einigen Tagen hatten
       türkische Medien berichtet, dass ein wichtiger PKK-Führer im Nordirak durch
       Drohnen aufgespürt und durch einen gezielten Luftangriff getötet worden
       sei.
       
       Während das türkische Militär behauptet, es habe darauf geachtet, keine
       zivilen Ziele in Mitleidenschaft zu ziehen, berichtete der PKK-nahe
       Lobbyverein Civaka Azad, dass die Kampfflugzeuge sowohl das große
       Flüchtlingslager Machmur, 60 km südöstlich von Erbil, wie auch eine
       Krankenstation und ein Rückkehrlager von Jesiden im Sindschar-Gebirge
       angegriffen hätten.
       
       Die irakisch-kurdische Regionalregierung gab am Montag keine Stellungnahme
       zu den Luftangriffen ab. Seit 2019 der neue Präsident Nechirvan Barsani
       sein Amt angetreten hat, ist er um einen Ausgleich mit Ankara bemüht,
       nachdem sein Vorgänger Mesud Barsarni mit einer Unabhängigkeitsabstimmung
       sowohl die Türkei als auch die Zentralregierung in Bagdad gegen sich
       aufgebracht hatte. Der türkische Geheimdienst kann seitdem weitgehend
       ungehindert im Nordirak operieren.
       
       ## Protestmärsche aus Osten und Westen
       
       Fast zeitgleich, aber wohl ohne direkten Zusammenhang, hat in der Türkei
       die kurdisch-linke HDP-Partei am Montag eine Protestaktion gegen die
       zunehmenden Repressionsmaßnahmen gegen ihre Mitglieder und Anhänger
       gestartet. Mit zwei Protestmärschen, die am Montag ganz im Westen und ganz
       im Osten des Landes beginnen sollten, um sich in Ankara zu treffen, will
       die Partei für Demokratie und freie Meinungsäußerung mobilisieren.
       
       Allerdings wurden bereits am Sonntag die Provinzen Hakkari und Edirne, wo
       die Protestmärsche starten sollten, für größere Gruppen kurzfristig
       gesperrt. Am Montagmittag versuchte deshalb lediglich eine kleinere
       Delegation von HDP-Abgeordneten und Parteifunktionären nach Edirne zu
       gelangen.
       
       Der letzte Anlass für die Protestaktion war die [2][Verhaftung von drei
       Parlamentsabgeordneten am 4. Juni]. Zwei von ihnen gehören zur HDP. Aber
       auch zuvor hatte die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan die
       Coronakrise genutzt, um gegen die HDP vorzugehen.
       
       Im Schatten der Krise wurden zuerst im März und dann noch einmal im Mai
       weitere 13 Bürgermeister der HDP abgesetzt und durch staatliche
       Zwangsverwalter ersetzt. Damit sind von den 64 Bürgermeisterposten, die die
       HDP bei den Kommunalwahlen im März 2019 gewonnen hat, bereits 55
       Bürgermeister ihres Amtes enthoben worden.
       
       15 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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