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       # taz.de -- Debatte über DDR-Aufarbeitung: Opferverbände ruhigstellen
       
       > Es wird diskutiert, einen Beauftragten für die Opfer von SED-Unrecht
       > einzuführen. In dem Vorschlag werden alle Restposten auf das neue Amt
       > abgeladen.
       
   IMG Bild: Erfurt 1990: Aktensicherung in der besetzten Stasizentrale
       
       Derzeit wird diskutiert, einen Beauftragten für die Opfer von SED-Unrecht
       einzuführen. [1][30 Jahre nach dem Fall der Mauer] ist das keineswegs
       selbsterklärend. Nötig ist es vor allem deshalb, weil die Vielzahl und
       Vielfalt der Verletzungen von Menschen und Menschenrechten und ihre
       Langzeitwirkungen lange unterschätzt wurden.
       
       Mit der Rehabilitierung und Haftentschädigung von politischen Gefangenen
       war es eben nicht getan. Doch manches an dem Vorschlag irritiert. Der
       Opferbeauftragte soll bei der Einschätzung von [2][Stasibelasteten]
       („Tätern“) mitwirken. Derartige Widersinnigkeiten zeigen, es geht nicht nur
       um späte Einsicht. Man will auch die Opferverbände ruhigstellen, wenn
       gleichzeitig der Stasi-Unterlagenbeauftragte abgewickelt wird.
       
       Folge dieses Deals: Dem Opferbeauftragten werden Restposten zugeschoben,
       die bei der Übergabe der Stasi-Akten an das Bundesarchiv übrig sind. Er
       soll offenbar unter anderem von der Jahn-Behörde die Öffentlichkeitsarbeit
       übernehmen und als einzige Bundesbehörde ungefilterten Zugang zu allen
       Stasi-Unterlagen haben. Ein derartiges Sammelsurium schadet den Menschen,
       denen geholfen werden soll.
       
       Die Ungereimtheiten sind ein Symptom für Probleme, die bei der Abschaffung
       des Stasi-Unterlagenbehörde ungelöst sind: Ihre zwölf ostdeutschen
       Außenstellen, die gerade heute als Garanten für menschenrechtsbasierte
       Aufarbeitung dem populistischen Zeitgeist widerstehen könnten, sind
       keineswegs gesichert. Ihr Weiterbestehen wurde zur Beruhigung versprochen,
       eine gesetzliche Garantie fehlt.
       
       Dass künftig beamtete Archivare Akten verwalten, die kein normales
       Archivgut sind, wird dadurch verkleistert, dass der Opferbeauftragte das
       Bundesarchiv beraten soll. Statt zum Opferbeauftragten mutiert das Amt zum
       Aufarbeitungsbeauftragten, den keiner will und keiner braucht. Aufarbeitung
       muss plural statt staatlich zentralisiert sein. Der Gesetzgeber sollte das
       Profil des Opferbeauftragten auf die Kernaufgabe konzentrieren: die Hilfe
       für die, die unter der SED-Diktatur gelitten haben.
       
       17 Jun 2020
       
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