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       # taz.de -- Kontroverse TV-Doku über China: Propaganda verhindert?
       
       > Der SWR hat entschieden, die Doku „Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“ nicht
       > auszustrahlen. Der Sender begründet die Entscheidung rechtlich.
       
   IMG Bild: Szenenbild aus der Dokumentation „Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“
       
       Für die einen ist es klar: Der SWR ist haarscharf an der Katastrophe
       vorbeigeschrammt, sich vor den Karren der chinesischen Propaganda spannen
       zu lassen.
       
       So sehen es die Peking-Korrespondent*innen von [1][Süddeutscher Zeitung]
       und FAZ. Für sie ist die Doku „Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“ nicht
       akzeptabel. Der 45-minütige Film, der eigentlich am Montagabend auf dem
       renommierten Sendeplatz „Story im Ersten“ laufen sollte, schildert den
       Ausbruch der Coronapandemie in der chinesischen Millionenmetropole.
       
       Er arbeitet überwiegend mit Bildmaterial der staatlichen Produktionsfirma
       China Intercontinental Communication Center (CICC), einem Teil des
       chinesischen Propagandaapparats. Die SWR-Dokumentation helfe dabei, die
       [2][anfängliche Phase der Vertuschung] der Pandemie vergessen zu machen, so
       das Verdikt der FAZ.
       
       Man kann den Film aber auch anders sehen: als gelungene dokumentarische
       Annäherung an den Ausbruch der Pandemie. Auch wenn diese wegen der
       fehlenden Medienfreiheit in China und der fehlenden Möglichkeit, sich
       selbst vor Ort ein Bild zu machen, notwendigerweise lückenhaft ausfällt und
       verschiedene Interpretationen zulässt.
       
       ## Kein eigenes Urteil mehr bilden
       
       Denn der Film ist keine CICC-Produktion. Vielmehr hat die vom SWR
       beauftragte deutsche TV-Produktionsfirma Gebrüder Beetz aus den rund 67
       Stunden des von CICC gelieferten Rohmaterials einen neuen Film geschnitten.
       Alle im CICC gemachten Aussagen wurden von SWR und Beetz sensibel
       gegenrecherchiert und werden im Film von deutschen Experten wie dem
       [3][Virologen Christian Drosten] oder Lothar Wieler, Präsident des
       Robert-Koch-Instituts, eingeordnet und bewertet.
       
       Das eigentliche Problem ist, dass sich die Zuschauer*innen nun kein eigenes
       Urteil bilden können. Denn zur Ausstrahlung kam es nicht. Gründe dafür
       seien laut SWR, wie am Tag der geplanten Ausstrahlung mitgeteilt,
       [4][rechtlicher Art]. Man habe erst in letzter Minute gemerkt, dass „die
       beauftragte Produktionsfirma dem SWR nicht die erforderlichen Rechte am
       verwendeten Filmmaterial einräumen“ konnte.
       
       Sind die mit Preisen überhäufte Produktionsfirma Beetz („Cleaners“) und die
       SWR-Doku-Abteilung einfach über das Kleingedruckte gestolpert? Die
       Vorbehalte gegen den Film begannen eine Woche vor der geplanten
       Ausstrahlung. Die [5][taz berichtete] darüber.
       
       „Wenn Peking die Bilder liefert“, war der Beitrag von
       SZ-China-Korrespondentin Lea Deuber betitelt. „Ein eigenes Team hat die
       beauftragte deutsche Produktionsfirma nicht nach China geschickt.
       Stattdessen griff sie auf Material der Propagandabehörden zurück“, hieß es
       verkürzt im Vorspann weiter.
       
       Der weitere Beitrag fiel dann etwas differenzierter aus. In ihm durfte sich
       auch der NDR von dem Projekt distanzieren. Der Sender ist für das
       ARD-Studio in Peking zuständig und teilte mit, die Korrespondent*innen
       seien „in dieses SWR-Projekt nicht eingebunden und liefern auch keine
       Unterstützung“. So wird geschrieben, wenn man etwas entgleisen lassen
       möchte.
       
       ## Keine Vorfeldorganisation der KP
       
       Ähnlich arbeitet die FAZ, die jetzt – in Kenntnis des Films, der im
       ARD-Pressebereich für Journalist*innen abrufbar war – genüsslich eine mit
       CICC-Hilfe entstandene Dokumentation über Chinas Präsidenten und KP-Chef Xi
       Jinping als vergleichbares Beispiel anführt.
       
       Bei dem Film von 2017 sei auch mit einer unabhängigen Produktionsfirma
       namens Meridian Line Films zusammengearbeitet worden. Deren Glaubwürdigkeit
       habe sich der chinesische Propagandaapparat zunutze gemacht.
       
       Allerdings war der damalige Chef von Meridian Line Films nach
       Experteneinschätzung gleichzeitig zweiter Mann bei der CICC. Auch das
       erwähnt die FAZ und führt damit ihren Vergleich mit „Wuhan – Chronik eines
       Ausbruchs“ eigentlich ad absurdum: Man mag an [6][der SWR-Doku] viel
       kritisieren, aber die Produktionsfirma Gebrüder Beetz ist keine
       Vorfeldorganisation der chinesischen KP.
       
       Der Kritik am Film hätte man sich gerne gestellt, sagt Geschäftsführer
       Christian Beetz. Dass nun alle um diese wichtige Diskussion gebracht
       werden, ist die eigentliche Katastrophe. Welche Interessen und Konflikte
       die Entscheidung des SWR beeinflusst haben, bleibt vorerst offen.
       
       17 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.sueddeutsche.de/medien/corona-china-doku-propaganda-1.4935364
   DIR [2] /China-und-seine-Narrative-zu-Corona/!5670752
   DIR [3] /Bild-vs-Virologe-Drosten-/!5685056
   DIR [4] https://www.swr.de/unternehmen/kommunikation/pressemeldungen/swr-wuhan-2020-104.html
   DIR [5] /SWR-Doku-zu-Corona-Ausbruch/!5687943
   DIR [6] /TV-Doku-ueber-Fake-News-und-Hacker/!5430199&s=SWR+Doku/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Steffen Grimberg
       
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