# taz.de -- Urteil gegen Hausprojekt Liebig 34: Kurzer Prozess
> Das queerfeministische Hausprojekt soll das Gebäude in der Liebigstraße
> 34 verlassen. Ihr Anwalt hat aber noch nicht vor aufzugeben.
IMG Bild: Queerfeministischer Protest vor dem zu verteidigenden Objekt Liebig 34
BERLIN taz | Aller Brisanz, [1][aller Spannung] und Sicherheitsvorkehrungen
zum Trotz – am Ende war es ein kurzer Prozess. Die Zuschauer*innen im
Kriminalgericht Moabit – elf Medienvertreter*innen, drei Besucher*innen,
ein Zivilpolizist – hatten sich gerade gesetzt, als sie zum Richterspruch
wieder aufstehen mussten.
Die Bewohner*innen der [2][Liebig 34], Szenesymbol und queerfeministisches
Hausprojekt, werden verurteilt, Grundstück und Gebäude zu räumen und an den
Eigentümer herauszugeben. Zusätzlich sollen angefallene Kosten des Klägers
in Höhe von etwa 20.000 Euro sowie die Gerichtskosten beglichen werden. Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wie üblich bei einem Versäumnisurteil folgte keine Begründung. Das Urteil
beruht auf der Tatsache, das Liebig 34-Anwalt Moritz Heusinger beim
[3][letzten Prozesstermin im Januar] seine Robe abgelegt und im Publikum
Platz genommen hatte, nachdem er einen Befangenheitsantrag gestellt hatte,
der im Nachhinein abgewiesen wurde.
Inhaltlich hielt Heusinger, der diesmal als einziger Prozessteilnehmer
erschienen war, an seiner Kritik fest: Das Gericht benutze ausschließlich
das generische Maskulinum, dabei handele es sich bei seinen Mandant*innen
explizit nicht um männliche CIS-Personen. Rechtlich, räumte er ein, sei das
möglich, dennoch liege ein Verstoß gegen die Richtlinie des Landes Berlins
für die Nutzung gendergerechter Sprache in der Verwaltung vor.
## Liebig-Anwalt kündigt Einspruch an
Ob sich der Eigentümer, der Berliner Immobilienspekulant Gijora Padovicz
beziehungsweise seine Siganadia Grundbesitz GmbH & Co. KG schon auf eine
baldige Räumung freuen dürfen, ist jedoch ungewiss. Heusinger kündigte an,
Einspruch gegen das Urteil einzulegen, auch gegen die vorläufige
Vollstreckbarkeit.
Sein vermeintliches Ass im Ärmel: „Das Gerichtsurteil richtet sich gegen
den falschen Verein.“ Zur Räumung verurteilt ist der Verein Raduga e.V.;
dieser jedoch habe das Haus bereits 2018 an den Verein Miteinander e.V.
untervermietet. „Im Haus ist ein anderer Verein als der Beklagte“, sagte
Heusinger, dieser müsse separat „herausgeklagt werden“. Den
Untermietvertrag habe er dem Gericht vorgelegt, dieser sei aber nicht
gewürdigt worden.
Sicher, dass er damit durchkommt, ist der Anwalt aber nicht. Er habe schon
erlebt, dass ein Haus geräumt und danach die Rechtswidrigkeit festgestellt
werde. Also appellierte er an den Senat: „Ich hoffe, dass das Land Berlin
mit Räumungsversuchen in Corona-Zeiten nochmal vorsichtiger ist.“
Ganz so schnell wird es aber sowieso nicht gehen, stattdessen ein ist
mehrmonatiger Prozess wahrscheinlich: Nach der Aufforderung freiwillig zu
gehen wird ein*e Gerichtsvollzieher*in eingesetzt, der*die dann wiederum
eine Frist setzen muss.
## Es wird weiter protestiert
Es bleibt also genug Zeit zum Protest: Bereits am Dienstagabend waren etwa
300 Demonstrant*innen durch Friedrichshain geströmt, um an wechselnden
Orten ihre Solidarität mit der Liebig 34 zu bekunden.
Während des Prozesses versammelten sich auf dem Dorfplatz vor der
Liebigstraße 34 rund 150 Menschen, um der alternativen Gerichtsversammlung
beizuwohnen. Ein gutes Dutzend Polizist*innen drückte sich an die Wände der
Seitenstraßen. Bewohner*innen der Liebig 34 hatten zum Theaterstück
geladen, statt zum Gericht zu mobilisieren, weil „wir uns schlicht und
einfach weigern, mit diesem bürokratischen Akt zu kooperieren“.
Die Wahrheiten, die dann ab kurz nach 9 Uhr mit musikalischer Untermalung
inszeniert wurden, waren einfach: Schwarzvermummte zündeten Auto des
Klägeranwalts an: Applaus. Der beschlipste Anwalt vertritt nur eins, das
Recht auf Profit: Buh-Rufe. Der Richter hat eh die Arschkarte gezogen und
macht sich mit Ordnungsrufen lächerlich: Gelächter. Die Vertreter*in der
Liebig 34 verteidigt in einem brennenden Plädoyer diesen Ort der „Vielfalt
und Toleranz“: Tosender Applaus. Vermummte vermöbeln Polizist*innen mit
Schweinenase: Applaus.
Und am Ende fallen sogar die Gerichtsprotokollant*innen in den vor Ort
herrschenden Konsens ein. „Diese Räumung ist ein Angriff auf uns alle.“
Abschließend noch ein bisschen Pyro in Einhornfarben vom Nachbardach und
schließlich die trostlose Nachricht vom Räumungstitel. Kurzes Schweigen aus
der Lautsprecheranlage, „damit müssen wir jetzt erst mal umgehen.“
3 Jun 2020
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Erik Peter
DIR Manuela Heim
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