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       # taz.de -- Sexualisierte Gewalt in Münster: Entsetzen über Kindesmissbrauch
       
       > In einer Gartenlaube in Münster wurden Kinder zum sexuellen Missbrauch
       > angeboten. Die Polizei nimmt elf Tatverdächtige fest, Datenträger werden
       > ausgewertet.
       
   IMG Bild: Die Idylle trügt: In dieser Gartenlaube vergingen sich Männer an Kindern und filmten ihre Taten
       
       Münster taz | Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe hat bestürzt auf den
       bekanntgewordenen Missbrauchsfall in seiner Stadt reagiert. „Ich bin
       erschrocken, dass unsere Stadt offenbar Schauplatz solch schrecklicher
       Taten war“, teilte der CDU-Politiker mit. „Unsere Aufmerksamkeit und unsere
       Gedanken sind bei den Kindern, die nun in sicheren Einrichtungen sind und
       dort umfassende professionelle Hilfe bekommen.“
       
       Der Fall zeige in erschreckender Weise, dass [1][der sexuelle Missbrauch
       von Kindern und die Brutalität der Täter viel größere Dimensionen] habe,
       als noch vor wenigen Jahren allgemein bekannt gewesen sei.
       
       Die Videobilder, zu denen die Ermittler bislang Zugriff haben,
       dokumentieren demnach abscheulichste Taten. Der Leiter der Ermittlungen,
       Kriminalhauptkommissar Joachim Poll, ringt um Fassung, als er etwa das
       mutmaßliche Geschehen in einer Gartenlaube in Münster in einer Nacht Ende
       April schildert: „Vier erwachsene Männer vergehen sich an zwei kleinen
       Jungs. Wechselseitig und aufs Schlimmste.“
       
       Über Stunden hätten sich die Missbrauchstaten hingezogen. Das Häuschen ist
       innen ausgestattet mit videoüberwachten Doppelstockbetten. Und auch außen
       hängen Kameras. In einer gut getarnten Zwischendecke sind
       hochprofessionelle Aufzeichnungstechnik und Computer versteckt. Der
       27-Jährige Hauptverdächtige in dem Fall ist ein IT-Techniker.
       
       ## Der Familienvater stand unter Verdacht des Jugendamts
       
       In der Laube mit ihrem sorgsam gejäteten Vorgarten soll er den 10-jährigen
       Sohn seiner Lebensgefährtin den anderen Männern für die Gewalttaten zur
       Verfügung gestellt haben. „Er ist verkauft worden von demjenigen, der ihn
       eigentlich behüten sollte“, sagt Poll. Das zweite Opfer ist der fünfjährige
       Sohn eines weiteren mutmaßlichen Peinigers aus Staufenberg bei Gießen.
       
       Das Jugendamt der Stadt Münster hatte Kontakt zu der Familie von einem der
       Opfer des Missbrauchsfalls in Nordrhein-Westfalen. Die Familie sei den
       Behörden aus den Jahren 2015 bis 2016 bekannt, „weil der soziale Kindsvater
       wegen des Besitzes und des Vertriebs pornografischer Daten aufgefallen
       war“, teilte die Stadt am Samstag mit.
       
       In dieser Zeit habe das Jugendamt Kontakt zu der Familie gehabt. 2015 habe
       das Familiengericht keinen Anlass gesehen, das Kind aus der elterlichen
       Verantwortung zu nehmen. Oberbürgermeister Lewe sagte dazu: „Eine Bewertung
       können wir erst vornehmen, wenn die Faktenlage dafür ausreichend geklärt
       ist.“
       
       Am Wochenende wurde der Tatort in der Kleingartenanlage im Norden Münsters
       von Polizisten bewacht. Kleingärtner und Besucher der gepflegten Anlage
       zeigten sich entsetzt, wollten sich aber nicht zu den mutmaßlichen
       Geschehnissen auf der durch die Polizei versiegelten Parzelle äußern.
       
       ## Bisher ist nur ein Teil der Verbrechen bekannt
       
       Bilder und Videos der Taten bot der Hauptverdächtige im sogenannten Darknet
       an. Der Fall war am Freitag bekannt geworden, nachdem in mehreren
       Bundesländern Tatverdächtige festgenommen worden waren. Die Ermittler
       stellten inzwischen mehr als 500 Terabyte versiert verschlüsselten
       Materials sicher. Nach der Auswertung der ersten Daten gehen Polizei und
       Staatsanwaltschaft davon aus, dass bislang nur ein kleiner Teil der
       mutmaßlichen Verbrechen bekannt geworden ist. Von elf Festgenommenen sitzen
       sieben in Untersuchungshaft.
       
       „Selbst die erfahrensten Kriminalbeamten sind an die Grenzen des menschlich
       Erträglichen gestoßen und weit darüber hinaus“, sagt Rainer Furth,
       Polizeipräsident von Münster. Nun wird es ihre belastende Aufgabe sein,
       Datei um Datei „von diesem abscheulichen Dreck“, wie Furth es ausdrückt, zu
       entschlüsseln, zu sichten, um den Fall Schicht um Schicht aufzuklären.
       
       Welche Kreise solche Ermittlungen ziehen können, zeigt der nicht minder
       erschütternde bundesweite Missbrauchskomplex, der [2][im
       nordrhein-westfälischen Bergisch Gladbach seinen Anfang nahm]. Dort hatten
       Ermittler im vergangenen Oktober die Wohnung eines 42-Jährigen durchsucht
       und dabei riesige Mengen kinderpornografischen Materials gefunden.
       
       Spezialisten sind bis heute mit der Auswertung beschäftigt. Die Ermittler
       entdeckten Chat-Gruppen, in denen sich nach früheren Angaben bis zu 1.800
       Pädophile austauschten. Opfer waren demnach oft die eigenen Kinder,
       darunter auch Babys. Polizei und Staatsanwaltschaft haben in dem Komplex
       bundesweit bisher mehr als 70 Tatverdächtige identifiziert, fast die Hälfte
       davon aus Nordrhein-Westfalen. Zudem gebe es 44 bekannte Opfer.
       
       7 Jun 2020
       
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