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       # taz.de -- Reservisten-Präsident zu Rechtsradikalen: „Es darf uns keiner durchhuschen“
       
       > Rechtsradikale im Reservistenverband – ein Problem, das Patrick Sensburg
       > angehen will. Seine 115.000 Mitglieder sollen überprüft werden.
       
   IMG Bild: Reservisten beim Marschieren
       
       taz: Herr Sensburg, [1][taz-Recherchen] haben ergeben: Es gibt eine Gruppe
       von Reservisten, die in einer schlagenden Verbindung aktiv sind, über
       einen „Rassenkrieg“ sprachen, sich bewaffneten und offenbar
       Bundeswehruniformen nutzen wollten, um Enteignungen durchzuführen. Was
       dachten Sie, als Sie davon hörten? 
       
       Patrick Sensburg: Ich fand das sehr erschreckend. Wenn das zutrifft, ist
       das ein völlig fatales Weltbild. Ich erwarte von jedem Soldaten, auch von
       jedem Reservisten, dass er fest auf dem Fundament der
       freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht und deshalb besonders für
       die Demokratie unseres Landes eintritt. Deswegen muss sich jeder, der eine
       Uniform trägt, dreimal fragen, warum macht er das. Er macht das zum Dienst
       an diesem Land, an dieser Demokratie und nicht aus irgendeinem anderen
       Grund.
       
       Ist das einer dieser berühmten Einzelfälle? 
       
       Wir sehen solche Fälle in der Bundeswehr, aber auch unter Reservistinnen
       und Reservisten. Mich macht es unglücklich, dass wir von den Dingen erst in
       der Zeitung lesen und oft erst dann tätig werden. Dass wir nicht schon im
       Vorfeld schauen: Was können wir machen, damit keine Personen oder
       vielleicht sogar Personenkreise abdriften.
       
       Wie haben Sie bisher reagiert? Es ist ja nicht das erste Mal, dass
       Rechtsextreme ihren Reservistenstatus für eigene Pläne nutzen wollten. 
       
       Es reicht nicht, dass die Präsidenten, die Vorsitzenden sich klar
       positionieren. Wir müssen das herunterbrechen bis auf die lokale Ebene. Ich
       glaube, wir müssen in den Reservisten-Kameradschaften immer wieder das
       Thema „Warum bin ich Reservist?“ thematisieren. Bin ich eine Stütze der
       Demokratie oder fange ich an, ein Eigenleben zu führen?
       
       Im konkreten Fall dieser Gruppe Burschenschaftler, von denen mindestens
       zwei Verbandsmitglieder sind: Was haben Sie unternommen? 
       
       Wenn wir von Vorfällen erfahren, binden wir erst mal Behörden ein,
       schreiben die entsprechenden Nachrichtendienste an. Das ist einmal der
       Militärische Abschirmdienst, das sind der Bundesverfassungsschutz und die
       Landesverfassungsschutzämter. So haben wir auch in dem konkreten Fall um
       Unterstützung gebeten, uns Erkenntnisse zugänglich zu machen. Wir hören
       auch die Betroffenen selbst schriftlich an. Wenn sich das bewahrheitet, was
       in der Presse stand, dann ist das für uns ein ganz klarer Grund, diese
       Mitglieder aus dem Verband auszuschließen. Wir haben ja eine besondere
       Verantwortung. Reservistinnen und Reservisten haben [2][über den
       Schießsport die Möglichkeit, an Waffen zu kommen], und repräsentieren den
       Staat in Uniform.
       
       Sie sitzen als Abgeordneter im Parlamentarischen Kontrollgremium, das
       Geheimdienste kontrolliert. Wie antworten die auf Ihre Bitte um Hilfe? 
       
       Bis jetzt haben wir noch keine inhaltlichen Erkenntnisse bekommen. Dafür
       hat man uns gesagt, sie könnten Dritten nichts mitteilen. Wir werden als
       Verband also als Dritter beurteilt. Dabei hat der Reservistenverband eine
       große Nähe zum Staat, er wird zum großen Teil aus Steuermitteln finanziert.
       Es ist vom Parlament gewollt, dass der Verband die lebenslange Betreuung
       von Reservisten übernimmt. Und die Bedeutung der Reserve ist zuletzt
       nochmal gestiegen. So wie wir staatliche Aufgaben oder zumindest vom Staat
       gewollte Aufgaben wahrnehmen, so muss der Staat auch ein Interesse daran
       haben, dass wir ausreichend Informationen bekommen. Denn die brauchen wir,
       um solche Mitglieder rechtlich sauber ausschließen zu können.
       
       Einer der aufgeflogenen Rechtsextremen hat ein Amt in der sächsischen
       Landesgruppe inne. Daraufhin schrieb deren Vorsitzender bei Facebook: „Viel
       Lärm um nichts!“ Während des „Ansturms von Millionen von Flüchtlingen“
       hätten sich „diese Spinner Gedanken gemacht, wie sie die Ausrottung der
       Deutschen überleben können“. 
       
       Ich halte es für unpassend, einen Artikel über Extremisten in den eigenen
       Reihen in Zusammenhang mit einem anderen Thema zu bringen. Wenn die Welt
       kompliziert wird, dann ist die Lösung nicht Extremismus. Ich glaube aber
       nicht, dass der Landesvorsitzende im rechtsextremen Bereich zu verorten
       ist. Es kann sein, dass er manchmal etwas emotional und vorschnell Dinge
       kommentiert.
       
       Im Präsidium sind Sie darauf angewiesen, dass Ihre Leute vor Ort
       Extremismus erkennen. Zeigt dieses Beispiel nicht, wie wenig das
       funktioniert? 
       
       Anscheinend nicht immer. Deswegen gehen wir jetzt ausnahmsweise mal nicht
       bottom-up, sondern top-down vor. Wir machen im Juli noch eine Veranstaltung
       auf Bundesebene, bei der wir das Thema Extremismus im Verband
       thematisieren. Die Awareness könnte schon höher sein. Es darf uns keiner
       durchhuschen. Es wäre wünschenswert, dass jeder Soldat, der zu uns kommt,
       eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen haben muss. Als ziviler Verein
       fehlen uns dafür aber die Möglichkeiten. Aber ein strukturelles Problem
       haben wir nicht, weil wir auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen
       Grundordnung stehen. Ich habe es lieber, jemand kommt zu uns, als dass er
       woanders hingeht, zum Verein Uniter beispielsweise. Ich werde demnächst das
       Kommando Spezialkräfte (KSK) besuchen. Ich möchte gerne, dass mehr
       ausscheidende KSK-Leute zu uns in den Verband kommen. Wir stehen für
       Demokratie.
       
       Sie meinen die Einheit, die jüngst besonders mit rechtsextremem Verhalten
       aufgefallen ist – Hitlergrüßen, Munitionsverstecken, dem Hannibal-Netzwerk.
       Wollen Sie ausgerechnet die Problemfälle umarmen? 
       
       Ich möchte nicht die Problemfälle umarmen, die sollen bitte schön raus. Ich
       möchte gern diese Einheit „umarmen“, weil: die wird es ja wahrscheinlich
       weiter geben und ich glaube, wir brauchen sie auch. Ich sehe, dass das KSK
       Probleme hat. Aber es wird weiterhin Leute geben, die dort ausscheiden. Die
       Frage ist: Wer kümmert sich um die? Wir müssen attraktiv für sie sein.
       
       Die Nachrichtendienste haben als Reaktion auf die rechtsextremen Umtriebe
       in Ihrem Verband, etwa durch die „Nordkreuz“-Leute, eine gemeinsame „AG
       Reservisten“ eingerichtet. Warum rutschen trotzdem Personen durch? 
       
       Erst einmal halte ich es für eine gute Sache, dass es die AG Reservisten
       gibt. Ich habe immer wieder gesagt, wir müssen da etwas machen, weil
       Reservisten von unterschiedlichen Nachrichtendiensten angeschaut werden:
       vom Landesverfassungsschutz, vom Bundesverfassungsschutz, vom Militärischen
       Abschirmdienst. Da entstehen einfach Brüche, Informationen fließen nicht.
       Die AG Reservisten darf aber nicht nur allgemeine Lagebilder erstellen,
       sondern muss zu konkreten Fällen operativ tätig werden.
       
       Das tut sie gar nicht? So wurde uns die Aufgabe dieser AG immer
       beschrieben. 
       
       Meiner Kenntnis nach tut sie dies bislang nicht ausreichend. Es wird sich
       nun an diesen konkreten Fällen zeigen, ob die Einzelfallarbeit doch noch
       gelingt.
       
       Fühlen Sie sich als Bundeswehr-naher Verband alleingelassen von der
       Bundeswehr? 
       
       Mir wäre es wichtig, dass die Informationen auch zu uns kommen. Von wem sie
       kommt und über welchen Weg, ist mir erst mal egal. Wenn nämlich die
       Problemfälle im Verband bleiben, dann wird das sehr schnell
       verallgemeinert: der Reservist, der Soldat, die Bundeswehr. Da muss auch
       die Bundeswehr erkennen, dass sie selbst ein Interesse daran hat, mit uns
       zusammenzuarbeiten. Mir soll keiner sagen, warum es nicht geht, sondern wie
       es vernünftig ist. Sonst bleibt das Problemmitglied bei uns Mitglied. Und
       das dient weder dem Verband noch der Bundeswehr noch unserem Land.
       
       Warum gibt es keinen Extremismusbeauftragten im Reservistenverband? 
       
       Es wäre eine Überlegung wert, einen solchen Posten zu schaffen. Ich
       probiere gerade, wieder eine Frauenbeauftragte zu etablieren.
       
       Bei Ihnen sind aber wohl mehr Extremisten als Frauen Mitglied. 
       
       Nein, das stimmt nicht. Zum Glück haben wir deutschlandweit viele
       exzellente Reservistinnen, die unserem Land dienen und für die Demokratie
       einstehen. Wir haben jetzt die erste Frau Oberst der Reserve, die sich auch
       in der Reserve bis zu diesem Dienstgrad hochgearbeitet hat. Das kann
       eigentlich nicht sein, dass dies so spät kommt, wo wir in der Bundeswehr
       doch überall erstklassige Soldatinnen haben, die irgendwann ausscheiden.
       Die gewinnen wir anscheinend noch nicht. Da müssen wir was machen. Bei
       beiden Themen müssen wir also besser werden.
       
       Sie fordern vom Verfassungsschutz, die AfD zu beobachten, weil Sie
       rechtsextremistisches Bestreben sehen. Müssen AfD-Mitglieder raus aus dem
       Verband? 
       
       Nein. Wir werden sicherlich bei jedem hingucken, der einen Mitgliedsantrag
       stellt. Aber solange wir noch keine klare Einstufung der Partei haben,
       brauche ich konkrete Erkenntnisse. Ich finde, ein hartes
       Abgrenzungskriterium ist der „Flügel“. Flügel-Mitglieder haben im
       Reservistenverband nichts verloren. Aufgrund Ihrer Berichte habe ich auch
       gesagt, dass wir uns alle knapp 115.000 Mitglieder noch einmal angucken
       müssen. Wer nur still in einem AfD-Ortsverband Mitglied ist, tritt für uns
       dadurch auch nicht in Erscheinung. Aber es gibt vielleicht auch markante
       Persönlichkeiten. Da gucken wir jetzt nochmal genauer hin.
       
       23 Jun 2020
       
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