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       # taz.de -- Die Wahrheit: Löcher im Gehirn
       
       > Leidet Julian Reichelt an Rinderwahnsinn? Eine infame Kampagne untergräbt
       > die Glaubwürdigkeit des vorbildlichen „Bild“-Chefredakteurs.
       
   IMG Bild: Kein Zyniker, sondern ein einfühlsamer und warmherziger Menschenfreund: Julian Reichelt
       
       Der Bild-Chefredakteur Julian Reichelt hat es nicht leicht. Ständig wird er
       angefeindet, obwohl er nur seine Arbeit macht und sich redlich darum
       bemüht, den Fußstapfen seines unvergessenen Vorvorgängers Kai Diekmann zu
       folgen. In einem Podcast fragte der Axel-Springer-CEO Mathias Döpfner den
       gebeutelten Reichelt kürzlich: „Wie gehst du mit dieser negativen Energie
       um? Man kann sagen, es gehört zum Job, aber wie schafft man es, dabei nicht
       zum Zyniker zu werden oder nicht zu verhärten? Was macht das mit dir?“
       Worauf Reichelt erwiderte, es gebe mittlerweile ein „Ausmaß an
       Beschimpfungen, wie ich es mir selber nicht hätte vorstellen können“.
       
       Doch gottlob ist er darüber eben nicht zum Zyniker geworden, sondern das
       geblieben, was er immer war: ein vorbildlicher Journalist, ein ebenso
       nachdenklicher wie einfühlsamer und warmherziger Menschenfreund und
       zugleich ein ritterlicher Vorkämpfer des Guten, Wahren und Schönen.
       
       Viele erinnern sich noch an die von Reichelt höchstpersönlich verfasste
       Bild-Schlagzeile „Macht das Tor auf!“, die erschien, als es mit der
       deutschen Willkommenskultur in der Flüchtlingskrise vorbei war, oder an die
       bewegenden Worte, die er fand, als ihm an einem und demselben Tag der
       Geschwister-Scholl-Preis, der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und
       die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte
       zuerkannt worden waren: „Olé, olé, olé, olééééé …“
       
       Um so rätselhafter ist die Wut, die Reichelt allenthalben entgegenschlägt.
       Und es bleibt nicht bei Schmähungen. Es werden bösartige Gerüchte
       verbreitet, die ihm schaden sollen. Da heißt es zum Beispiel, er schummele
       beim Dominospielen und er habe seine zwei Meerschweinchen auf die Namen
       Mathias und Friede getauft. Noch gemeiner ist die Falschmeldung, dass er an
       Rinderwahnsinn erkrankt sei. Man erkenne das, so wird in einschlägigen
       Internetforen behauptet, an Reichelts Gedächtnisstörungen, seiner
       Aggressivität und nicht zuletzt an schwammartigen Löchern in seinem Gehirn,
       die für diese Krankheit typisch seien.
       
       Man kann darüber streiten, ob Reichelt tatsächlich einige Symptome der
       bovinen spongiformen Enzephalopathie aufweist. Verbürgt ist nur, dass er
       gern Leichenfotografen ausschickt, die „für die Marke Bild brennen“, und
       dass er bei seiner Verdachtsberichterstattung regelmäßig schneller
       zuschlägt als die Polizei.
       
       Aber leidet er wirklich an Rinderwahnsinn? Der Tiermediziner Dr. Albert
       Schulte vom Pharmazeutischen Institut der Universität Kiel gibt Entwarnung.
       „Manche Aussetzer lassen sich auch mit einem niedrigen IQ erklären“, hat er
       in einem Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt geäußert. „Ich würde darauf
       tippen, dass Herr Reichelt geistig einfach unterhalb der Möglichkeiten
       operiert, die dem Durchschnittsbürger zur Verfügung stehen. Er zeigt ein
       Verhalten, das abnorm ist, aber nicht unbedingt krankhaft sein muss. An
       seiner Stelle würde ich den Beruf wechseln. Vielleicht steckt in Herrn
       Reichelt ja ein mittelmäßig begabter Fußpfleger oder jemand, der kleine
       Haustiere ausführen und füttern kann. Wir dürfen niemanden verloren geben.
       Das finde ich ganz, ganz wichtig. Gerade und besonders auch im Hinblick auf
       Underperformer wie Julian Reichelt, die der Gesellschaft noch beweisen
       müssen, dass sie etwas können.“
       
       ## Speerspitze der Aufklärung
       
       Zu einem anderen Schluss kommt Dr. med. Oliver Sullivan von der Johns
       Hopkins University, der die „Mad Cow Disease“ seit zwanzig Jahren
       untersucht: Er plädiert dafür, Reichelt sofort in Quarantäne zu nehmen und
       ihn mindestens ein Dreivierteljahr lang von allen anderen Säugetieren
       abzusondern.
       
       Branchen-Insider wittern hinter alledem das abgekartete Spiel einer linken
       Allianz, die mit unlauteren Methoden gegen Reichelt vorgeht, weil sie es
       nicht erträgt, dass er die Bild-Zeitung zur Speerspitze der Aufklärung über
       das Aussehen von toten Unfallopfern geformt hat. Im übrigen können
       Reichelts Gedächtnisstörungen nach Auskunft von Experten auch völlig
       harmlose Ursachen haben.
       
       „Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er in seiner Jugend ein
       paarmal zu oft vom Dreirad gefallen ist“, sagt der Psychotherapeut Dr.
       Hans-Michael Frieß von der Bad Nauheimer Burghof-Klinik. „Oder, dass er
       unmittelbar nach seinem Vorstellungsgespräch bei Springer in einen Spiegel
       geschaut und sich dabei eine traumatische Belastungsstörung zugezogen hat.
       Ich erörtere diesen Fall bereits seit Wochen mit meinen Kollegen vom Royal
       College of Psychiatrists in London und der American Academy of Child and
       Adolescent Psychiatry. Wir werden die Ergebnisse unserer Forschung in Kürze
       in der Zeitschrift Scientific Review of Mental Health Practice zur
       Diskussion stellen …“
       
       Bis dahin gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung, auch wenn
       Reichelt mit seinen Kommentaren den Eindruck erweckt, dass er nicht mehr
       alle Tassen im Schrank hat. „Dass der Staat niemals Menschenleben abwiegen
       darf gegen ein anderes Gut, ist eine noble Idee, die der Realität leider
       nicht immer standhält“, schrieb Reichelt im April 2020 in Bild, als er noch
       zu klein war, um die Verben „abwiegen“ und „abwägen“ auseinanderhalten zu
       können. Und er fügte hinzu: „Die Stärke der Demokratie ist, dass sie auch
       die unbequemsten Debatten aushält.“
       
       Nun wartet ganz Deutschland gespannt auf den Ausgang der unbequemen Debatte
       über Reichelts Geisteszustand. Bei Tipico, Xtip und Happybet werden sogar
       schon Wetten angenommen. Der Höchsteinsatz beträgt zur Zeit zwei Eurocent.
       
       24 Jun 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gerhard Henschel
       
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