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       # taz.de -- Rot-Grün beschneidet Bürgerbeteiligung: Behörden außer Kontrolle
       
       > Die Koalition will ihre verfassungsändernde Mehrheit nutzen, um die
       > Deputationen abzuschaffen, die bei Behördenentscheidungen mitsprechen.
       
   IMG Bild: Will sich nicht reinreden lassen: Hamburger Senat
       
       Hamburg taz | Der Plan des rot-grünen Senats, die Deputationen
       abzuschaffen, ist in der Bürgerschaft in erster Lesung scharf kritisiert
       worden. „Rot-Grün schneidet so trotz ihrer ohnehin schon überwältigenden
       Mehrheit der Opposition Rechte ab“, sagte Carola Ensslen von der Linken.
       Der Verband Die Familienunternehmer sprach sich ebenso wie der Deutsche
       Gewerkschaftsbund (DGB)dafür aus, die Deputationen als bewährtes Instrument
       der [1][Kontrolle und Mitbestimmung] zu erhalten und auszubauen.
       
       Die Deputationen sind als Beratungsgremien den Behörden zugeordnet und in
       Artikel 56 der Hamburgischen Verfassung verankert, wo es heißt: „Das Volk
       ist zur Mitwirkung an der Verwaltung berufen. Die Mitwirkung geschieht
       insbesondere durch die ehrenamtlichen Mitglieder der Verwaltungsbehörden.“
       
       In der Praxis ist jede Behörde verpflichtet, ein Gremium aus 15 Deputierten
       zu schaffen. Die Auswahl der Deputierten entspricht dem Stimmenverhältnis
       der Bürgerschaftsfraktionen. Deputationen dürfen bei der Haushaltsplanung
       mitbestimmen, bei der Umstrukturierung einer Behörde sowie bei
       Personalentscheidungen. Außerdem genießen sie das Recht auf Akteneinsicht.
       
       Auf die Abschaffung der Deputationen haben in den
       [2][Koalitionsverhandlungen] die Grünen gedrungen. Der Bürgerschaftsantrag
       sieht vor, den Artikel 56 in seiner jetzigen Form zu streichen und die
       Mitwirkung an der Verwaltung durch eine Verpflichtung zu Bürgernähe und
       Transparenz zu ersetzen. „Sie macht die bei ihr vorhandenen Informationen
       zugänglich und veröffentlicht bestimmte Informationen“, heißt es im
       Entwurf.
       
       ## Veraltetes Beteiligungsinstrument?
       
       Damit werde das richtungsweisende Hamburger Transparenzgesetz
       verfassungsrechtlich abgesichert, argumentieren die Grünen. Zusammen mit
       den in den vergangenen Jahren eingeführten Bürger- und Volksentscheiden
       mache es die Deputationen überflüssig. „Die Deputationen stammen als
       Beteiligungsinstrument aus einer Zeit als es die anderen modernen
       Kontrollinstrumente noch nicht gab“, teilte die grüne Bürgerschaftsfraktion
       mit.
       
       Mehr noch: Weil die von den Regierungsfraktionen bestimmten Deputierten die
       Mehrheit hätten, komme es in den seltensten Fällen zu Entscheidungen gegen
       den Willen der Behördenleitung. Zudem seien die Sitzungen vertraulich und
       damit für die Öffentlichkeit nicht transparent. „Demgegenüber erzeugen die
       Deputationen einen unverhältnismäßigen Zeit- und Personalaufwand“, klagen
       die Grünen.
       
       „Deputierte sind Ohr und Sprachrohr in die Behörden hinein“, sagt dagegen
       die Linken-Abgeordnete Ensslen. Transparenz könne Bürgerbeteiligung nicht
       ersetzen. Im übrigen hätten SPD und Grüne im Koalitionsvertrag zugesagt,
       als Ausgleich die Referentenentwürfe der Fachbehörden für
       Gesetzesänderungen zu veröffentlichen. Davon sei in dem Antrag nicht mehr
       die Rede.
       
       „Zweidrittelmehrheiten bedeuten große Verantwortung gegenüber
       Minderheiten“, mahnte der CDU-Abgeordnete André Trepoll. Die Abschaffung
       der Deputationen als fachliche Kontrollinstanz sei das Gegenteil von
       Transparenz. Gerade die Mitsprache bei Personalfragen sei ein wesentlichen
       Faktor für ein Mindestmaß an Kontrolle. „Ansonsten stehen dem rot-grünen
       Filz Tür und Tor offen“, warnte Trepoll. Berufungen und Beförderungen nach
       Parteibuch wären ohne Kontrolle möglich.
       
       „Die Zerschlagung gewachsener und bewährter Formen der Bürgerbeteiligung
       steht in krassem Widerspruch zu den Plädoyers der Parteien für mehr
       Basisdemokratie“, kritisiert der Verband [3][Die Familienunternehmer]. Der
       Senat dürfe auf das Einholen von Bürgerstimmen und Expertenmeinungen im
       Rahmen der etablierten Deputationen nicht verzichten.
       
       Der [4][DGB] findet, die Deputationen sollten reformiert, aber nicht
       abgeschafft werden. Ein „abstraktes Transparenz-Gebot“ sei „kein Ersatz“.
       
       Anders sieht das die Bürgerrechtsaktivistin Angelika Gardiner, die im
       Kuratorium des Verbandes [5][Mehr Demokratie] sitzt. Die Deputationen seien
       überflüssig, weil sie faktisch nur beraten und nicht entscheiden würden.
       Sie seien ein Ort informeller Absprachen und dienten zum Ruhigstellen von
       Kritikern.
       
       Gardiner fordert, Bürger sollten „in einem früheren Stadium“ in Pläne
       einbezogen werden. Zudem bemängelt sie, dass den [6][Stadtteilbeiräten]
       Gelder gekürzt worden seien und sie Schwierigkeiten hätten,
       Veranstaltungsräume zu mieten.
       
       25 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
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   DIR [2] /Rot-gruener-Koalitionsvertrag-in-Hamburg/!5686321
   DIR [3] https://www.familienunternehmer.eu/regionalkreis-metropolregion-hamburg.html
   DIR [4] https://hamburg.dgb.de/
   DIR [5] https://hh.mehr-demokratie.de/
   DIR [6] /Buergerinnenbeteiligung-in-Hamburg/!5687985
       
       ## AUTOREN
       
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