URI: 
       # taz.de -- Problemgerät Gemüsehobel: Blut spritzt am Bärchenwurstmuster
       
       > Wo gehobelt wird, fallen Späne. Und Fingerkuppen. Außer man hat das
       > richtige Gerät. Unser Kolumnist hat es nicht. Und verzweifelt.
       
   IMG Bild: Was hätte aus ihm werden können, wenn er einen besseren Gemüsehobel besessen hätte?
       
       Gurken, Karotten, Zwiebeln, Radieschen, Orangen, Nüsse, Steine,
       Tischtennisbälle und Träume, wie viele von ihnen gingen während meiner
       Kindheit durch die Hobel? Es schien das Schicksal alles Dinglichen zu sein,
       eines Tages, sehr bald schon, gehobelt zu werden. Nicht nur gehobelt: Es
       wurde gerieben und geschält, was das zu zerlegende Zeug nicht hielt.
       
       Oh Kindheit, oh glorreicher Morgen ungehemmten Shopping-TV-Konsums! Immer
       dann, wenn die Stars der [1][French Open] oder der Snooker-WM sich von
       anstrengenden Vortagen, erschöpfenden Begegnungen mit Landsfrauen und
       mordsmäßiger Beinarbeit erholend die Sportsenderfrequenzen ein paar Stunden
       den Hobelköchen überließen, war ich mit dabei. Und sah, wie der Nicer Dicer
       Plus mit genau dem gleichen gespielten Genuss, der gleichen Ekstase des
       „Ich kann schier nicht fassen, dass ich existiere!“ vorgeführt wurde, die
       ich ein paar Jahre später in Pornos wiederfand.
       
       Noch ein paar Jahre später ist der Lack ab. Ich kenne alle Pornos in- und
       auswendig und für einen Nicer Dicer samt des durch ihn stündlich
       durchzuhobelnden Materials fehlt mir das sogenannte Kleingeld. Außerdem
       wäre ich sicher zu faul, um die Klinge auszutauschen, obwohl das
       bekanntlich sehr einfach geht, und so käme bis in alle Ewigkeit der Pilz,
       die Zitrone oder [2][der Parmesan] im einmal eingestellten
       Bärchenwurstmuster herausgehobelt raus; die Abwechslung, die jeder braucht,
       der etwas vom Leben hält, müsste auf anderem Wege beschafft werden, was
       einherginge mit Adaptionskosten, Transportkosten, Depressionskosten.
       
       Gehobelt – [3][nicht geschält!] – wird trotzdem, mittlerweile in der Küche
       und nicht mehr im Fernseher. Mit einem handelsüblichen Viereckshobel samt
       Zerreibfunktion, Handgriff und Gumminoppen am Boden gegen das Verrutschen.
       
       Das funktioniert etwa so: Hand nimmt Gegenstand in die Hand, hält ihn an
       den Viereckshobel, drückt und bewegt rauf, runter, rauf, runter. Hobelsee
       auf Hobelunterlage wächst, ungehobelter Gegenstandsanteil schrumpft, Hand
       nähert sich kontinuierlich den Hobelklingen, sich an dem immer kleiner
       werdenden Ungehobelten festhaltend. Hand, und hier kommt das Problem,
       berührt schließlich die Hobelklingen, berührt sie in Bewegung, hobelt sich
       mithin selbst an – und ab. Zumindest ein Stückchen.
       
       Blut fließt, Schreck schockt. Die Sekunden vor dem Aufprall: voller Angst.
       Chinesische Wasserfolter. Wie weit kann ich hobeln? Wann darf ich aufgeben?
       Wie viel Rest, wie viel Ungehobeltheit ist vertretbar: ethisch, moralisch,
       ökonomisch? Wie bringe ich den Rest am besten zwischen Hand und Hobel? Wie
       halte ich ihn am besten? Wo sind die Pflaster? Und wann, verdammt noch mal,
       ist das Essen fertig?
       
       23 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Advent-in-der-Familie/!5645046
   DIR [2] /Die-Wahrheit/!5620777
   DIR [3] /Dysfunktionales-Kuechengeraet/!5671056
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Adrian Schulz
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Ungenießbar
   DIR Gemüse
   DIR Küchengerät
   DIR Kochen
   DIR Kolumne Ungenießbar
   DIR Kolumne Ungenießbar
   DIR Kolumne Ungenießbar
   DIR Kolumne Ungenießbar
   DIR Umzug
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Von der Liebe zum Pürierstab: Der Zauberstab des Savoir-vivre
       
       Unser Autor reist ins Land der Grande Cuisine und entdeckt dort die Magie
       eines besonderen Küchengeräts: der Stabmixer.
       
   DIR Ekelobst Weintraube: Vor dem Wein ist's Essig mit lecker
       
       Bei wenigem ist die Diskrepanz zwischen Roh- und Endprodukt so groß wie bei
       Weintrauben und Wein. Erstere sind die Schimmelfrüchte schlechthin!
       
   DIR Vom Scheitern beim Kochen: Nudeln mit Spliss, Reis ohne Biss
       
       Verbrannt, verkocht, heruntergefallen – in der Küche lauert die Katastrophe
       hinter jeder Ecke. Da verzweifelt auch unser Kolumnist.
       
   DIR Ekelobst Banane: Breitbreiig, fadentreu, unverschält
       
       Was schmecken wir? Eine anspruchslose Süße. Was spüren wir? Material von
       Reisbreikonsistenz. Die Banane ist ein Menschheitsübel allerletzter Güte.
       
   DIR Dysfunktionales Küchengerät: Was dieser Tage wirklich schält
       
       Hat eine einzige Person jemals einen funktionierenden Gemüseschäler in den
       Händen gehalten? Nein. Eine Klagelied – mit Hoffnungsschimmer.
       
   DIR Unnütze Küchenutensilien: Die Wenigkönner
       
       Für jede Küchentätigkeit gibt es ein Spezialgerät. Oft benutzt man es genau
       einmal – und danach nie wieder. 13 Dinge, die beim nächsten Umzug nicht
       mitmüssen.