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       # taz.de -- Die Königin der Früchte: In Mumbai sind die Mangos reif
       
       > Alle sind verliebt in die Totapuri aus dem Süden, die Dasheri aus dem
       > Norden und besonders in die Alphonso. Trotz Corona.
       
   IMG Bild: Verkauf von Mangos in einer Nebenstrasse von Neu-Dehli
       
       Um einen der langblättrigen Mangobäume zu entdecken, reicht bei einem
       Spaziergang in den alten Stadtvierteln Mumbais oft ein Blick nach oben.
       Warmes und feuchtes Klima mögen die Bäume und das finden sie in der
       indischen Küstenstadt. Fällt dann eine Mango herab, muss schnell sein, wer
       sie ergattern will. Die Stadtraben haben längst ein Auge auf sie geworfen.
       
       Beliebt sind Mangos aber nicht nur bei Vögeln, die sie zerpflücken und die
       langen Kerne in der Schale auf dem Boden zurücklassen. Es gibt kaum
       jemanden in Indien, der Mangos nicht liebt. Dieser Tage sind sie
       allgegenwärtig, sind pralle, goldene, süßlich duftende Früchte kunstvoll
       auf den rollenden Holzkarren drapiert, die von den Obst- und Gemüsehändlern
       durch Mumbais Wohnviertel geschoben werden. Denn es ist Mangosaison in
       Indien. Sie beginnt im Frühjahr und endet je nach Region im Juni oder Juli,
       wenn der Monsun einsetzt.
       
       Ganz verschieden sehen die Früchte auf den Karren aus. Grüngelb sind die
       Kesar-Mangos aus Gujarat, safranfarben ist ihr Fruchtfleisch. Die größere
       Totapuri aus dem Süden des Landes erinnert an einen Papageienschnabel:
       Ausgereift ist sie grün bis rötlich gefärbt und mild im Geschmack. Die
       länglich-ovale Dasheri aus Nordindien ist eine der ältesten Sorten und
       kräftig-süß im Aroma. Am besten für Shakes eignet sich wiederum die
       dünnhäutige Badami – doch diese Frage wird regional jeder anders
       beantworten, denn die InderInnen lieben die Mangos, mit denen sie
       aufgewachsen sind.
       
       Von den fast tausend verschiedenen Mangosorten sind etwa dreißig gängig.
       Die Leuchtende, die man in Mumbai besonders oft antrifft, ist die relativ
       kleine [1][Alphonso]-Mango. Sie stammt aus Konkan, der Küstenregion, die
       sich von Mumbai aus Richtung Süden bis nach Goa erstreckt. Die Alphonso ist
       eine besonders süße und saftige Sorte, die sich länger hält als viele
       andere Mangos. Veredelt wurde sie von den Portugiesen, denen sie auch ihren
       Namen verdankt. Benannt ist sie nach dem General und Kolonialisten Afonso
       de Albuquerque, der Anfang des 16. Jahrhunderts Goa eroberte.
       
       ## Mangos sind heiß, wenn sie reifen
       
       Oft werden die Alphonsos gleich im Dutzend verkauft, auf Stroh gebettet, in
       roten Pappkartons mit dem Aufdruck „Exportqualität“. Holt man eine Frucht
       aus der Box, dann glüht sie in der Hand. Mangos sind heiß, wenn sie reifen.
       Ist die Reife abgeschlossen, bekommen die Früchte kleine schwarze Punkte.
       Dann heißt es: schnell essen.
       
       Doch dieses Jahr fiel die Mangosaison mit der Coronapandemie und den
       strengen Ausgangsbeschränkungen im ganzen Land zusammen. Es war die Stunde
       der indischen Post, die sich bereit erklärte, Mangos zuzustellen, damit sie
       nicht verderben. Wochenlang war der öffentliche Verkehr in Indien
       lahmgelegt, Transport war nur mit Sondergenehmigung möglich, was
       zusätzliche Kosten verursachte.
       
       „In diesem Jahr war es schwierig, die Mangos nach Mumbai zu bringen“, sagt
       der 33-jährige Chetan Nakte, dessen Familie seit 30 Jahren eine Farm in
       Ratnagiri im westindischen Mangogürtel bewirtschaftet. Er hatte viele
       Ladungen, deshalb blieb ihm keine Wahl, als auf die Genehmigungen zu warten
       und den Fahrern Coronapauschalen zu zahlen.
       
       Mangos werden grün gepflückt, zu diesem Zeitpunkt sind sie noch säuerlich.
       Sie reifen auf der Reise zu ihrem neuen Besitzer. Das gibt den Bauern Zeit,
       beliebte Sorten wie Alphonso nicht nur quer durchs Land, sondern weltweit
       zu verschicken. Mehr als die Hälfte der weltweiten Mangoproduktion kommt
       aus Indien und normalerweise werden jährlich fast 50.000 Tonnen exportiert.
       Aber in diesem Jahr konnte der Exportschlager Alphonso die Überseereise per
       Schiff nur selten antreten. Manche schafften es noch per Luftweg nach
       Europa. Die meisten Früchte blieben in Indien.
       
       Die ersten Kartons mit Alphonso erreichen Mumbai Anfang Februar, einen
       Monat bevor die Saison so richtig anfängt. Sie werden zu Höchstpreisen
       gehandelt. In der Hauptsaison kostet eine gereifte Frucht dann umgerechnet
       knapp 1 Euro, das Dutzend ab 7 Euro. Bei einem durchschnittlichen
       Pro-Kopf-Einkommen von 130 Euro im Monat ist das viel, aber für die
       indische Mittelschicht kein Hindernis. Durch das Wirtschaftswachstum der
       vergangenen Jahrzehnte ist auch die Mangonachfrage gestiegen. Immer mehr
       Menschen in Indien können sich die „Königin der Früchte“ leisten, wie die
       Alphonso gerne beworben wird. Form, Größe und Geschmack bestimmen dabei den
       Preis.
       
       ## Chutney aus grünen Mangos
       
       „Für jedes Portemonnaie gibt es eine passende Frucht“, sagt die Mumbaierin
       Parvati. Schon früher hat sie die grünen Mangos aus ihrem Garten als
       Chutney eingelegt und aus den reiferen Früchten Saft, Shakes, Püree oder
       andere Süßspeisen zubereitet. Für sie beginnt damit der Sommer. Seit sie in
       eine Hochhauswohnung im Süden der Stadt gezogen ist, bekommt die Familie
       zwischen März und Mai kartonweise Alphonso-Mangos geliefert. Manche
       bestellen sie selbst, andere sind Präsente.
       
       Mangos stammen aus Indien und wurden bereits vor 4.000 Jahren im Osten des
       Subkontinents kultiviert. Von dort aus verbreitete sich die Frucht in ganz
       Asien. Persische Händler brachten sie in den Nahen Osten und nach Afrika.
       Als die Europäer Indien kolonisierten, waren Mangos in der westlichen Welt
       noch nahezu unbekannt. Mit den Portugiesen reisten sie dann bis nach
       Südamerika.
       
       Jahrhundertelang ließen sich DichterInnen und KöchInnen von der Mangifera
       indica begeistern. Vor allem die Blätter des Baumes spielen im Hinduismus
       eine Rolle. Sie werden über den Haustüren aufgehängt und sollen Glück
       bringen. Der Familie von Chetan Nakte half das anscheinend in diesem Jahr.
       Pünktlich vor der einsetzenden Regenzeit erntete sie ihre letzten Früchte.
       Sie wurden bereits mit dem Laster abtransportiert.
       
       Für sie war es trotz der Coronapandemie eine gute Saison. „Der Ertrag war
       in diesem Jahr fast doppelt so hoch“, sagt Nakte, „Durch den Lockdown gab
       es viel weniger Luftverschmutzung.“ Und durch den direkten Verkauf an
       Kunden ohne viele Zwischenhändler blieb ihnen eine größere Marge.
       
       Über den Ernteüberschuss in diesem Jahr freuen sich besonders Firmen, die
       Mangos einlegen oder zu Püree verarbeiten und zwischen Mai und Juni die
       Restbestände aufkaufen. Doch ein paar Mangos, die bei der Qualitäts- und
       vor allem Schönheitsnorm durchgefallen sind, hat sich Familie Nakte für
       sich selbst aufgehoben. Denn sie lieben alle Mangos, auch die mit ein paar
       kleinen Flecken.
       
       18 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://timesofindia.indiatimes.com/videos/city/mumbai/navi-mumbai-fresh-alphonso-mangoes-arrive-at-apmc/videoshow/63046213.cms
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Natalie Mayroth
       
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