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       # taz.de -- taz🐾thema: Ins brautechnische Ballungsgebiet
       
       > An Isar und Donau entlang führt die „Hopfen- und Bierschleife“ ins Grüne
       > und in die Hopfenregion Hallertau. Die Route ist eine von drei großen
       > Rundtouren, die als „WasserRadlWege“ von München aus Oberbayern
       > erschließen. Eine schöne Durststrecke!
       
   IMG Bild: Am Wegesrand ebenso präsent wie im Glas: Hopfen in der Hallertau
       
       Von Gerhard Fitzthum 
       
       München, so war man gewarnt worden, ist für Radfahrer die Hölle. Doch vom
       Hauptbahnhof aus braucht es gerade mal zehn Minuten, um in ein Idyll des
       Langsamverkehrs einzutauchen, das nicht jede deutsche Stadt zu bieten hat.
       Im Englischen Garten ist es dem amerikanischen Landschaftsarchitekten Graf
       Rumford vor mehr als 220 Jahren gelungen, Natur so lebendig zu inszenieren,
       dass man den von der Isar abgezweigten Wassergraben für einen echten
       Wildbach hält. Erstaunlich, dass man von hier aus mehrere Stunden dem
       grünen Band der Isar folgen kann, ohne jemals von einer Autostraße gestört
       zu werden.
       
       Die in München beginnenden und endenden „WasserRadlWege“ bestehen aus drei
       großen Rundtouren, auf denen Langstreckenradler auch unbekanntere Ecken
       Oberbayerns entdecken können. Die „Hopfen- und Bierschleife“ ist mit 260
       Kilometern die kürzeste und leichteste. Sie führt durch das Isartal nach
       Freising, quert die Hallertau in Richtung Donau, um deren Lauf bis ins
       hübsche Neuburg zu folgen. Von dort geht es über die Spargeldestination
       Schrobenhausen und Dachau zum Ausgangspunkt zurück.
       
       Der allgemeinen Mode folgend versuchen sich die Touristiker auch beim neu
       eröffneten Radweg-Trio am Erlebniskonzept des 'Storytelling: Es besteht
       darin, dem Gast in Prospekten und auf Stelltafeln zu erzählen, was es mit
       der durchradelten Region auf sich hat. Das soll ihm einen tieferen Zugang
       zu ihrer Geschichte und Gegenwart verschaffen, eine alle Sinne umfassende
       Beziehung zu der Welt, durch die er sich bewegt.
       
       Nach Freising folgt man auf gut befahrbaren Wegen dem schmalen
       Naturschutzkorridor der Isarauen, fern von Siedlungen, Straßengeflechten
       und Freizeitparks, aber auch von Einkehrlokalen. Dass man überall im Land
       dazu übergegangen ist, drei Meter breite Asphaltstreifen in die Flussauen
       zu legen, erscheint einem hier nur wie ein böser Scherz. Weil seine
       Oberfläche aus feinstem Kalkschotter besteht, passt der Radweg bestens zu
       den hellen Kieselstränden und -inseln der Isar. Belebender kann eine Fahrt
       durch die Natur kaum sein, zumal man im Schatten alter Baumriesen radelt
       und immer wieder an Badestellen vorbeikommt.
       
       Unterhalb des Freisinger Klosterbergs ist es mit dem Naturerlebnis dann
       vorbei. Eine Unterführung bringt den Flussradler in die städtische
       Verkehrswelt zurück. Vom Kulissenwechsel noch ganz benommen sitzt er wenig
       später vor einem Erzeugnis aus dem Hause Weihenstephan, der in der
       Bischofsstadt ansässigen ältesten Bierbrauerei der Welt.
       
       Auf der Etappe nach Ingolstadt ist alles ganz anders. Aus den bezaubernden
       Naturwegen sind breite Asphaltstreifen geworden, die man sich mit dem
       landwirtschaftlichen Verkehr und dem einen oder anderen Anlieger teilen
       muss. Das arkadenhafte Blätterdach ist der offenen Landschaft gewichen, der
       Horizont hat sich wieder geweitet, das Auge erfreut sich am weiß-blauen
       Himmel, der sich über die pastorale Szenerie spannt.
       
       Nun begreift man auch, warum der neue Fernradweg „Hopfen- und Bierschleife“
       heißt. Nicht etwa, weil man in voller Sonne von einer kühlen Maß träumt,
       sondern weil es sich bei der Hallertau um das größte zusammenhängende
       Hopfenanbaugebiet Deutschlands handelt. Und weil der Radweg direkt an
       altehrwürdigen Brauhäusern und ihren hübschen Biergärten vorbeiführt. Das
       brautechnische Ballungsgebiet liegt zwischen Au und Wolnzach. Eine
       ausgedehnte Pause ist Pflicht, das Auf und Ab der letzten Stunden hat Kraft
       gekostet. Zudem wird es einem auf breiten Asphaltschneisen schneller
       langweilig als auf biotophaft eingewachsenen Uferwegen. Es sind im
       doppelten Sinne Durststrecken!
       
       Szenenwechsel dann an der Donau. Im Unterschied zur munter dahin strömenden
       Isar wurde ihrem Wasserlauf jede Wildheit ausgetrieben. Wo einmal ein
       mächtiger Fluss seinem fernen Ziel entgegenschäumte, gähnt heute ein in die
       Länge gezogenes Staubecken, in dem das nasse Element zur Stromproduktion
       zwischengelagert wird. Entschädigt wird man jedoch einmal mehr durch
       Straßenferne und Wassernähe, was bei deutschen Flussradwegen keineswegs
       selbstverständlich ist. Zu den atmosphärischen Glanzlichtern gehören die
       einsamen Dammwege rund um Vohburg, auf denen man still in sich ruhende
       Auwiesen passiert und der uns bekannten Welt abhanden kommt.
       
       Einen weiteren Höhepunkt erlebt der Wasser-Radler dann kurz vor Neuburg. An
       diesem Flussabschnitt wurde in den letzten Jahren das umfangreichste
       Dynamisierungsprojekt der Republik umgesetzt. Um den Schaden zu begrenzen,
       den der Einbau der Staustufen in den 1970er Jahren verursacht hatte,
       reaktivierte man ein früheres Gerinne, indem man Wasser aus dem Kanal
       gezielt in den Auwald leitete und damit eines der beiden Stauwehre umging.
       Wer sich Neuburg auf dem Donaudamm nähert, kommt gleich an zwei
       Ausleitungsbauwerken vorbei: dem Wehr für ökologische Flutungen sowie dem
       mit einer Fischtreppe versehenen Auslass des neuen Umgehungsbachs.
       
       Zurück in der Bayernmetropole führt die Route durch die bezaubernden Parks
       von Schloss Blutenburg und Nymphenburg sowie den weitläufigen Hirschgarten.
       Es bleiben noch fünf Kilometer zum Bahnhof, ein Wiedereinstieg in die
       Verkehrshölle, über den man sich nur mit der Aussicht auf das Münchener
       Brauereiviertel trösten kann.
       
       oberbayern.de/wasserradlwege
       
       20 Jun 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gerhard Fitzthum
       
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