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       # taz.de -- Außenminister Maas in Nahost: Kalter Frieden in Gefahr
       
       > In Jordanien will Außenminister Maas am Mittwoch über Israels
       > Annexionspläne sprechen. Amman warnt vor einem Konflikt mit dem jüdischen
       > Nachbarn.
       
   IMG Bild: Botschafter Europas in Nahost: Außenminister Heiko Maas
       
       Berlin taz | Auffällig still blieb es, als Israel und Jordanien im
       vergangenen Jahr den 25. Jahrestag ihres Friedensschlusses begingen: keine
       Jubiläumsfeiern in Jerusalem oder Amman, keine gemeinsame
       Parlamentssitzung, noch nicht einmal einen Staatsbesuch von König Abdullah
       oder Präsident Rivlin war den beiden Nachbarländern das Datum wert.
       
       Um diesen kalten Frieden wird es gehen, wenn Bundesaußenminister Heiko Maas
       (SPD) am Mittwoch [1][von Israel kommend] in Jordanien eintrifft. Ein
       Vierteljahrhundert nach dem historischen [2][Friedensvertrag von 1994]
       haben die israelisch-jordanischen Beziehungen ein „Allzeittief“ erreicht,
       wie Jordaniens König Abdullah es unverblümt [3][ausdrückte]. Die Pläne der
       neuen Koalitionsregierung in Jerusalem, [4][Teile des palästinensischen
       Westjordanlands zu israelischem Staatsgebiet zu erklären], könnten das
       Verhältnis noch weiter erschüttern.
       
       In Amman will sich Maas mit seinem Amtskollegen Aiman Safadi treffen. Der
       dürfte auf seinen deutschen Besucher einreden, [5][die israelischen Pläne]
       mit klareren Worten zu verurteilen als bislang und die EU dazu zu bringen,
       [6][mit einer deutlichen Reaktion] auf eine Umsetzung der Pläne zu drohen.
       
       Um den Preis einer Annexion in die Höhe zu treiben, hatte Safadi vergangene
       Woche bereits das jordanische Gewicht in die Waagschale geworfen: „Die
       Annexion wird nicht unbeantwortet bleiben, [7][warnte er die Israelis],
       „sie wird einen heftigen Konflikt auslösen, die Zweistaatenoption unmöglich
       machen und alle Möglichkeiten für einen umfassenden Frieden zerstören.“
       
       ## Tiefes Misstrauen
       
       Jordanien ist neben Ägypten das einzige arabische Land, das mit dem
       jüdischen Staat Frieden geschlossen hat. Doch trotz anhaltender
       Sicherheits- und Wirtschaftszusammenarbeit herrscht tiefes Misstrauen
       zwischen Jerusalem und Amman.
       
       Jordaniens Führung steht zudem vonseiten des Parlaments und der Bevölkerung
       unter Druck, die zu einem großen Teil ursprünglich aus Palästina kommt und
       noch nie wirklich überzeugt war von dem Friedensvertrag mit Israel.
       
       Auch das hatte König Abdullah wohl im Hinterkopf, als er Israels
       Annexionspläne im Mai mit scharfen Worten verurteilte. Er ziehe „sämtliche
       Optionen in Betracht“, ließ er in einem [8][Interview] mit dem Spiegel
       wissen – also auch die Aufkündigung des Friedensvertrags?
       
       Damit rechnet der israelische Politikexperte Uzi Rabi nicht. Die Drohungen
       der Jordanier seien „leere Worte“, sagt der Direktor des Moshe Dayan
       Centers an der Universität von Tel Aviv der taz. „Ich glaube nicht, dass
       sie so weit gehen werden, da der Friedensvertrag einige spezielle
       ökonomische Nebenaspekte enthält, die sehr wertvoll sind für Jordanien.“
       
       ## Gemeinsame Industriezonen
       
       Infolge des [9][Friedensvertrags], der einen freien Handel zwischen beiden
       Staaten vorsieht, entstanden zahlreiche gemeinsame Industriezonen in
       Jordanien. Die USA unterstützten und belohnten die wirtschaftliche
       Zusammenarbeit. Heute gehen Exporte aus Jordanien durch Israels
       Mittelmeerhafen in Haifa.
       
       2016 hat Amman mit Jerusalem zudem einen 10-Milliarden-Dollar-Vertrag
       geschlossen über die Versorgung des Königreichs mit Erdgas aus dem
       Offshore-Gasfeld „Leviathan“ vor Israels Mittelmeerküste.
       
       Doch verschiedene Vorfälle haben in den vergangenen Jahren für erhebliche
       Spannungen gesorgt. Aus Sicht Jordaniens hat Israel es versäumt, einen
       israelischen Diplomaten zu verfolgen, der beschuldigt wird, 2017 in der
       israelischen Botschaft in Amman zwei Jordanier getötet zu haben. 2014 hatte
       ein israelischer Soldat einen palästinensisch-jordanischen Richter an einem
       Grenzübergang erschossen.
       
       Für Streit sorgt auch, dass Israel es immer wieder zugelassen hat, dass
       jüdische Gläubige auf dem Tempelberg in Jerusalem beten. Jordanien ist laut
       Friedensvertrag Wächter des Tempelbergs und somit zuständig für die
       heiligen islamischen Stätten dort, den Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee.
       Laut einer Vereinbarung dürfen Juden und Jüdinnen den Berg nur zu
       festgelegten Zeiten besuchen und nicht dort beten.
       
       ## Verhärtete Fronten
       
       Aufgrund dieses Wächterstatus und des hohen palästinensischen
       Bevölkerungsanteils in Jordanien lässt sich das israelisch-jordanische
       Verhältnis nicht losgelöst betrachten vom Israel-Palästina-Konflikt, in dem
       die Fronten derzeit so verhärtet sind wie lange nicht.
       
       Während Amman unbeirrt an einer Zweistaatenlösung festhält, haben sich
       Israels rechtsreligiöse Regierungen unter Ministerpräsident Benjamin
       Netanjahu im vergangenen Jahrzehnt immer weiter davon entfernt und ihr
       Siedlungsprojekt im Westjordanland vorangetrieben.
       
       Viele in Jordanien sehen das als endgültigen Beweis dafür, dass der
       Friedensvertrag nicht – wie einst von König Abdullahs Vater Hussein und
       seinem israelischen Partner Jitzchak Rabin erträumt – ein erster Baustein
       im Gesamtwerk einer breiten arabisch-israelischen Friedenslösung ist.
       
       10 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Heiko-Maas-in-Israel/!5691941
   DIR [2] http://www.kinghussein.gov.jo/peacetreaty.html
   DIR [3] https://www.haaretz.com/middle-east-news/relations-between-israel-and-jordan-worse-than-ever-king-abdullah-says-1.8164889
   DIR [4] /Israels-Annexionsplaene/!5685573
   DIR [5] /Israels-Annexionsplaene/!5685573
   DIR [6] /Jean-Asselborn-ueber-die-USA-und-Israel/!5690576
   DIR [7] https://www.masrawy.com/news/news_publicaffairs/details/2020/6/2/1800182/%D8%A7%D9%84%D8%A3%D8%B1%D8%AF%D9%86-%D9%8A%D8%B7%D8%A7%D9%84%D8%A8-%D8%A7%D9%84%D9%85%D8%AC%D8%AA%D9%85%D8%B9-%D8%A7%D9%84%D8%AF%D9%88%D9%84%D9%8A-%D8%A8%D9%85%D9%86%D8%B9-%D8%A3%D9%8A-%D9%82%D8%B1%D8%A7%D8%B1-%D8%A5%D8%B3%D8%B1%D8%A7%D8%A6%D9%8A%D9%84%D9%8A-%D8%A8%D8%B6%D9%85-%D8%A3%D8%B1%D8%A7%D8%B6-%D9%81%D9%84%D8%B3%D8%B7%D9%8A%D9%86%D9%8A%D8%A9)
   DIR [8] https://www.spiegel.de/politik/ausland/koenig-abdullah-ii-von-jordanien-ueber-coronavirus-wir-haben-das-virus-schnell-unter-kontrolle-gebracht-a-c0eb1d9d-d57d-4336-8324-3d72653e6e74
   DIR [9] http://www.kinghussein.gov.jo/peacetreaty.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
       
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