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       # taz.de -- Rücktritt von Hans-Joachim Grote: Irgendwas stimmt nicht
       
       > Im Kieler Landtag beschäftigt sich ein Ausschuss mit dem erzwungenen
       > Rücktritt von Hans-Joachim Grote als Innenminister von
       > Schleswig-Holstein.
       
   IMG Bild: Da arbeiteten sie noch zusammen: Daniel Günther und Hans-Joachim Grote im November 2018
       
       Neumünster taz | Der erzwungene [1][Rücktritt des Innenministers
       Hans-Joachim Grote] (CDU) Mitte April erschütterte das politische Kiel –
       und lässt bis heute Fragen zum Verhältnis von Polizei, Staatsanwaltschaft
       und Politik in Schleswig-Holstein unbeantwortet. Vor allem irritiert, wie
       Ministerpräsident Daniel Günther seinem Parteifreund das Vertrauen und den
       Posten entzog. „Normalerweise würde man eine gesundheitliche Belastung
       vorschieben, dem Minister für seine Arbeit danken, und niemand würde weiter
       fragen“, sagt SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. „Aber es wird mit viel
       Energie versucht, Grotes Renommee kaputtzumachen.“
       
       Nun hat der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags Einsicht in jene
       Chat-Verläufe gefordert, die die Staatsanwaltschaft Kiel bei der Ermittlung
       gegen einen Polizei-Gewerkschafter als „Beifang“, wie sie es formulierte,
       sammelte – und die zum Bruch mit Grote beitrugen. Bisher sind nur
       Zusammenfassungen bekannt, die die Staatsanwaltschaft anfertigte. „Es wäre
       für die Koalition eine große Belastung, wenn sich herausstellen würde, dass
       der Hinauswurf Grotes eine Überreaktion war“, sagt Burkhard Peters (Grüne).
       „Das würde einen deutlichen Schatten auf die Zusammenarbeit legen.“
       
       Als Innenminister hat Grote wichtige Posten im Polizeiapparat neu besetzt –
       Stegner fragt sich, ob der Rücktritt damit zu tun haben könnte. Grote hat
       auch die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA)
       unterstützt, der seit 2017 die sogenannte Rocker-Affäre untersucht. Dabei
       geht es um die Frage, wie die Polizei mit Fehlern umgeht, ob sich Netzwerke
       in der Leitungsebene gebildet haben und ob Ermittlungsakten rechtlich
       unsauber geführt wurden, um eine „Quelle“ der Polizei zu schützen, und um
       den Umgang mit V-Leuten.
       
       Claus Christian-Claussen (CDU), heute Justizminister, sagte im Februar –
       noch als PUA-Vorsitzender –, er sehe Polizei und Staatsanwaltschaft
       entlastet: Verstöße habe es gegeben, aber keine Indizien dafür, dass gegen
       Recht verstoßen worden sei. Die These, die Polizei sei „losgelöst von
       rechtsstaatlichen Regeln auf Druck der Politik vorgegangen“, habe sich
       nicht bestätigt.
       
       ## Mit Nebelkerzen aus der Zwickmühle
       
       Kai Dolgner, der für die SPD im PUA sitzt, und Burkhard Peters, als Grüner
       Teil der Jamaika-Koalition, widersprechen. „Es gibt die Erzählung, dieser
       PUA sei völlig überzogen“, so Peters. „Die andere Erzählung lautet: Wir
       sind auf ein Problem im Umgang mit V-Leuten und damit eine schwärende Wunde
       des Rechtsstaats gestoßen.“ Es soll Änderungen im Landespolizeigesetz und
       einen Antrag im Bundesrat geben mit dem Ziel, die V-Leute-Regelung in der
       Strafprozessordnung neu zu fassen.
       
       Auslöser der Rocker-Affäre war ein Angriff von Mitgliedern der „Bandidos“
       auf Angehörige der konkurrierenden „Red Devils“ am 13. Januar 2010 in einem
       Schnellrestaurant in Neumünster. Nach der Messerstecherei gerieten Polizei
       und Staatsanwaltschaft offenbar in eine Zwickmühle, so sehen es jedenfalls
       Dolgner und Peters. Denn einer der damals Anwesenden hatte einem Polizisten
       einiges über die Abläufe erzählt. Ein vertrauliches Gespräch – trotzdem
       hatte „dieser Hinweisgeber für diese Aussage keine Vertraulichkeitszusage
       als Informant oder V-Person“, sagt Dolgner. „Es war also eine
       Zeugenaussage.“
       
       Peters zieht die Verbindung zur Politik: „Der Kampf gegen die
       Rockerkriminalität war für den damaligen Innenminister Klaus Schlie eine
       Herzenssache.“ Er sieht es als erwiesen an, dass die Aussage des Rockers
       entgegen den gesetzlichen Verfahrensregeln nicht zu Protokoll genommen
       wurde. In den Akten steht „offensichtlich mindestens ein unwahrer und
       unvollständiger Vermerk“, sagt auch Dolgner. Die Beamten, die darauf
       hinwiesen, wurden versetzt.
       
       Beide Politiker sind überzeugt, dass es nicht darum ging, „Rockern einen
       Gefallen zu tun“. Aber sie stört, wie der Konflikt damals gelöst wurde und
       wie Behörden und Beteiligte bis heute mit den Vorwürfen umgehen: „Es werden
       Nebelkerzen geworfen“, sagt Dolgner. Das gelte auch für den PUA selbst.
       Kritik gelte als Angriff, statt Fehler einzugestehen, werde abgewehrt.
       
       15 Jun 2020
       
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