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       # taz.de -- Anzeigenboykott gegen Facebook: Ethische Dividende, die flüchtig ist
       
       > Die Umsätze der großen Techkonzerne brechen wegen der Coronakrise ein. Da
       > fällt es leicht, Werbemittel für Facebook aus ideellen Gründen zu
       > streichen.
       
   IMG Bild: Aktuell eher so Daumen runter: Facebooks Firmensitz in Menlo Park, Kalifornien
       
       Die kommenden Quartalsberichte der börsennotierten Unternehmen werden voll
       von Hiobsbotschaften sein: Umsatzeinbußen, Produktionsrückgänge,
       Liquiditätsverluste. Auch für die bisher weitgehend verschonten großen
       Tech-Konzerne werden die Folgen sichtbar. Die durch die Coronakrise nötig
       gewordenen Einsparungen in den Marketingbudgets der Werbekundschaft werden
       ihre Spuren in den Bilanzen von Google und Facebook hinterlassen.
       
       Beide generieren ihre Einnahmen zu annähernd 100 Prozent aus bezahlter
       Werbung. Wegen seines geradezu komplizenhaften Umgangs mit
       [1][Desinformation und Hassrede] steht Facebook schon länger in der Kritik
       von Bürgerrechtsorganisationen. Einer davon, der Anti-Defamation League,
       ist es nun gelungen, das Netzwerk mit einem Boykottaufruf an die
       Werbetreibenden empfindlich zu treffen.
       
       Die Beteiligung internationaler Großkonzerne wie Coca-Cola oder Unilever
       verdirbt einerseits die Preise. Schließlich werden die Anzeigenplätze auf
       Facebook versteigert. Eine sinkende Nachfrage entzieht der Plattform so
       nicht nur die Budgets der Boykottfront, sondern verringert auch die
       Einnahmen durch jene, die weiterhin auf Facebook werben wollen. Anderseits
       hinterlässt das öffentliche Statement einen beträchtlichen politischen
       Flurschaden für Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.
       
       Seit Monaten versucht er, einen offenen Konflikt mit der
       Trump-Administration zu vermeiden, und betont, dass Facebook freie Rede,
       insbesondere für Politiker*innen, garantiere, und zwar ohne
       Einschränkungen. Jetzt werden doch [2][erste zaghafte Moderationsschritte]
       angekündigt, welche die Illusion von Neutralität zerstören. Facebook kann
       in dieser Auseinandersetzung nur verlieren, ökonomisch und ideell.
       
       Die boykottierenden Konzerne hingegen mit ihrer eigenen eher zweifelhaften
       menschenrechtlichen Praxis, man denke nur an die blutige Geschichte von
       Coca-Cola mit Gewerkschaften in Südamerika, können sich hier mit geringem
       Aufwand auf die „richtige Seite der Geschichte“ stellen. Budgets, die wegen
       der Krise wahrscheinlich ohnehin zur Disposition standen, werden bis auf
       Weiteres eingespart.
       
       Im Falle des Telekommunikationsriesen Verizon etwa handelt es sich um gut
       20 Millionen Dollar jährlich aus einem 2,5-Milliarden-Topf. Gleichzeitig
       gibt es eine ethische Dividende aus dem Boykott. Wenn sich die politische
       und wirtschaftliche Lage wieder beruhigt hat, wird man sich wohl mit
       Facebook über den Wiedereinstieg einigen. Der Umgang der Plattform mit
       Hassrede mag sich bis dahin gebessert haben, Garantien dafür gibt es jedoch
       nicht.
       
       29 Jun 2020
       
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