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       # taz.de -- Ausstellung in der Kunstbibliothek Berlin: Geometrische Nüchternheit
       
       > Die Ausstellung „Marken:Zeichen“ zeigt die Weitsicht von Grafikdesigner
       > Anton Stankowski. Einige seiner Logos begegnen uns häufig im Alltag.
       
   IMG Bild: Grafisches Atelier Stankowski + Duschek: Markenzeichen der 1970er bis 2000er Jahre
       
       Als [1][Anton Stankowsk]i den Wettbewerb um ein neues Firmenzeichen der
       [2][Deutschen Bank] gewann, titelte die Bild-Zeitung in altbekannter Manier
       – „Ein Maler verdiente mit fünf Strichen 100.000 Mark“. Außerdem zitierte
       das Blatt ihn verkürzt mit dem Satz: „Manchmal brauche ich für einen
       Entwurf nur eine Sekunde.“ Das war vor mittlerweile 48 Jahren. Dahinter
       steht die allerdings bis heute quicklebendige Idee, Kunst und Design
       könnten anhand von wirtschaftsliberalistischen Tugenden abschließend
       erklärt werden.
       
       Dass Stankowski aber durchaus Fleiß, Weitsicht und Können bewiesen hat, um
       den Entwurf zu fertigen, der noch heute über jeder Filiale zu sehen ist,
       führt die [3][Ausstellung „Marken:Zeichen“] in der Kunstbibliothek Berlin
       vor. Es ist die erste umfangreiche Präsentation des Nachlasses des
       Grafikateliers Stankowski + Duschek.
       
       ## Zeitliche Spagatübungen
       
       2012 schon trat Meike Gatermann, Kulturvermittlerin und Witwe von Karl
       Duschek, an die Kunstbibliothek und damit an die Stiftung Preußischer
       Kulturbesitz mit der Idee heran, den Nachlass der beiden Designer in deren
       Obhut zu geben. Wie aufwendig die Prozesse und die wissenschaftliche Arbeit
       hinter der Nachlassverwaltung von Künstlern sind, lassen die acht Jahre
       ahnen, die seitdem vergangen sind, während deren auch ein Stabwechsel
       zwischen zwei Kuratorinnen der Sammlung Grafikdesign stattgefunden hat.
       
       In [4][der Kunstbibliothek] hat man es also mit zeitlichen Spagatübungen zu
       tun, die dank des kuratorischen Prologs sogar bis in die römische
       Kaiserzeit hinausreichen. Aber ob es um Stempel auf Dachziegeln oder dem
       „Berlin-Layout“ als analogem Vorreiter des Responsive Design geht, das
       Interesse ist hier mehr als nur ein historisches. Und kann auch unangenehm
       werden. Denn gemessen an der Omnipräsenz von Gebrauchsgrafiken und Marken
       in unserem Alltag beschäftigen wir uns als Gesellschaft sehr wenig mit
       ihnen als Bilder.
       
       Im Jahr der Bild-Schlagzeile fingen Anton Stankowski und Karl Duschek an,
       miteinander zu arbeiten. Der eine hätte getrost der Großvater des anderen
       sein können. Aber obwohl Duschek gerade erst mit Ausbildung und Studium
       fertig geworden war, ging das gegenseitige Vertrauen und die gemeinsame
       Vision so weit, dass er wenige Jahre später Stankowskis Partner wurde.
       
       ## „Marken sind Kulturatome“
       
       Der Ausspruch „Marken sind Kulturatome“, der auch für die Ausstellung
       „Marken:Zeichen“ tonangebend ist, stammt von Duschek. Und pointiert, was
       beide wollten: philosophisch verortete und gleichzeitig hochkonkrete
       grafische Designs entwickeln.
       
       Das taten sie nicht nur in Form von Markenzeichen, die heute vor allem
       Logos genannt werden, sondern auch in Form von Briefpapieren, Leitsystemen,
       Rauminstallationen, Buchtiteln, Kalendern und so weiter – all das, was
       heute unter Corporate Design fällt. Leidenschaften für die Konkrete Kunst,
       den russischen Konstruktivismus und gebrauchsgrafische Werke aus dem
       Bauhaus-Umfeld sind überall zwischen den Exponaten erkennbar, die in der
       Kunstbibliothek erschlagende 300 Stück umfassen.
       
       Die meisten davon sind das Ergebnis sorgfältiger Abwägung geometrischer
       Grundformen und -farben gegeneinander in der Fläche. Teils gerät das eher
       komplex, wie bei dem Plakat für eine Kreissparkasse aus dem Jahr 1984, das
       wie ein im Uhrzeigersinn wehendes Farbwindrad daherkommt, in dem die Flagge
       der BRD versteckt ist, und manchmal eben so „plain and simple“ wie das Logo
       der Deutschen Bank.
       
       ## Fünf Striche, die erzählen
       
       Monochrom Blau liegt eine Diagonale im Winkel von 53 Grad in einem Quadrat.
       Fünf Striche, die trotzdem erzählen, was die Bank von sich wissen lassen
       will: Hier geschieht stetiges Wachstum, in Leserichtung eines Aktienkurses,
       und das in einem sicheren Umfeld. Grafiken wie diese fertigten Stankowski +
       Duschek für Viessmann, Rewe, die Messe Frankfurt, Landesgartenschauen,
       Handballmeisterschaften, den Rat für Formgebung, die Stadt Berlin – und
       sich selbst. Es sind große, klare Gesten in kleinen Formaten.
       
       Sich in der Ausstellung zurechtzufinden ist trotzdem eine gewisse
       Herausforderung. Aber im Übrigen gibt es bei all der geometrischen
       Nüchternheit zwischendurch etwas zu schmunzeln: Zu einer
       Präsentationstafel, auf der das Atelier Stankowski + Duschek ein Redesign
       der Firma Bosch zwischen anderen, weltberühmten Vergleichsmarken
       präsentierte, heißt es im Booklet: „Das Zeichen – hier in einer nicht
       umgesetzten Variante – sollte unter den bekanntesten Marken seiner Zeit
       standhalten.
       
       In selbstbewusster Geste sind darunter nicht nur VW, Shell oder Mercedes zu
       finden, sondern auch SEL und Deutsche Bank aus dem eigenen Atelier.“ Lässt
       man den Blick über die Sammlung der Logos schweifen, die um die
       Präsentationstafel herum hinzugefügt sind, ist dort auch das Signet der
       Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu finden. Touché.
       
       1 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ausstellung-Rasterfahndung/!5086986
   DIR [2] /150-Jahre-Deutsche-Bank/!5667154
   DIR [3] https://www.stankowski-stiftung.de/deutsch/aktuelles/aktuelles.html
   DIR [4] https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/kunstbibliothek/home/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christopher Suss
       
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