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       # taz.de -- Wahlrechtsreform in Georgien: Verlogen und trotzdem besser
       
       > Was die georgische Wahlrechtsreform wert ist, muss die Praxis zeigen. Die
       > Opposition ist aber eher an Rache als an konstruktiver Arbeit
       > interessiert.
       
   IMG Bild: Georgien auf dem Weg in die EU? Niedergeknüppelte Proteste im Jahr 2019
       
       Geht doch! Wenige Monate bevor die Georgier*innen an die Urnen gehen, hat
       das Parlament in Tiflis doch noch eine Wahlrechtsreform verabschiedet. Auch
       wenn es dazu des Drucks der USA und der EU bedurfte, kann sich das Ergebnis
       sehen lassen. 120 der 150 Abgeordneten werden fortan über Listen gewählt.
       Eine Partei, die weniger als 40 Prozent der Stimmen erhält, ist auf einen
       Koalitionspartner angewiesen. Und die Sperrklausel von einem Prozent
       ermöglicht es künftig auch kleineren Gruppierungen, sich in der
       Volksvertretung bemerkbar zu machen.
       
       Es grenzt jedoch an eine Verlogenheit sondergleichen, wenn jetzt
       ausgerechnet der Premierminister der Regierungspartei „Georgischer Traum“,
       Giorgi Gakharia, dieses Ereignis als weiteren Schritt auf dem Weg hin zu
       mehr Demokratie und Annäherung der Südkaukasusrepublik an den Westen
       preist.
       
       Schließlich ist er der Mann, der im vergangenen Jahr als Innenminister kein
       Problem hatte, Demonstrant*innen im Zentrum der Hauptstadt brutal
       zusammenknüppeln zu lassen, und für Taten verantwortlich zeichnet, deren
       komplette strafrechtliche Aufarbeitung bis heute aussteht. Und er ist es
       auch, der mit den anderen „georgischen Träumer*nnen“ unter der [1][Ägide
       des Milliardärs Bidzina Ivanischwili] die zugesagte Wahlrechtsreform erst
       einmal platzen ließ.
       
       Was die Reform wert ist, muss die Praxis zeigen. Das gilt vor allem in
       einem so polarisierten Land wie Georgien, wo Parteien immer noch
       One-Man-Shows sind. Sicher ist: Einen so bequemen Durchmarsch wie 2016 wird
       es für den „Georgischen Traum“ nicht mehr geben.
       
       Die Opposition ist zwar eifrig dabei, Allianzen zu schmieden. Doch vor
       allem für die Vereinte Nationale Bewegung, stärkste Kraft im
       regierungskritischen Lager, gilt, dass sie weniger um konstruktive
       Oppositionsarbeit bemüht als von Rachegelüsten gegenüber der Regierung
       getrieben ist.
       
       Aber je nachdem, wie die Machtverteilung im Parlament aussehen wird: Der
       eine oder die andere Abgeordnete wird sich gerne kaufen lassen. Es wäre
       nicht das erste Mal.
       
       1 Jul 2020
       
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