# taz.de -- Anti-Rassismus-Proteste in Seattle: Polizei räumt „polizeifreie Zone“
> Aktivist*innen hatten wochenlang Straßenzüge Seattles besetzt und die
> Polizei verdrängt. Jetzt wurde das Viertel gewaltsam geräumt.
IMG Bild: Entfernen Überbleibsel der besetzten autonomen Zone: Seattles Stadtteil Capitol Hill
Washington taz | Polizist*innen haben am Mittwoch auf Beschluss der
Bürgermeisterin der US-Metropole Seattle, Jenny Durkhan, die [1][von
Aktivisten*innen ins Leben gerufene „autonome Zone“] nahe des Stadtzentrums
gewaltsam geräumt. Grund für die Räumung waren zwei tödliche Schießereien
sowie weitere Gewalttaten.
Knapp drei Wochen lang hatten mehrere hundert Menschen die Straßenzüge des
Stadtteils Capitol Hill besetzt und eine polizei- und behördenfreie Zone
ausgerufen.
Zuvor hatten auch in Seattle [2][nach dem Tod George Floyds] Tausende gegen
Rassismus und Polizeigewalt protestiert. Nach tagelangen
Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protestierenden, räumte die
Polizei schließlich ihr Revier in Capitol Hill. Die Aktivist*innen bauten
im Viertel Zeltlager auf und organisierten Kundgebungen und Konzerte. Doch
in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni fielen Schüsse, [3][zwei Menschen
starben].
Bürgermeisterin Durkhan hatte die Räumung schon vor einer Woche
angekündigt. Ausgestattet mit schusssicheren Westen, Schutzhelmen und
Schlagstöcken, begannen Polizisten*innen, die Aktivist*innen aus der
besetzten Zone zu vertreiben. Die Polizeibeamt*innen rissen dabei
provisorisch errichtete Zäune sowie ein Zeltlager in einem angrenzenden
Park nieder.
## Graffiti und Müll in der „autonomen Zone“
Viele der Demonstrierenden in der von ihnen „CHOP“ (Capitol Hill Organized
Protest) oder auch „CHAZ“ (Capitol Hill Autonomous Zone) genannten Zone,
hatten bereits vor dem Polizeieinsatz am frühen Mittwochmorgen das Gelände
freiwillig geräumt. Die, die noch vor Ort waren, protestierten friedlich
gegen die Räumung. Wie die Polizei mitteilte, wurden trotzdem mehr als drei
Dutzend von ihnen verhaftet.
„Unsere Arbeit ist es, friedliche Demonstrationen zu unterstützen“, sagte
Seattles Polizeichefin Carmen Best. „Aber was sich in den vergangen zwei
Wochen auf diesen Straßen zugetragen hat, ist gesetzlos und barbarisch und
ganz einfach nicht akzeptabel.“
Ein Foto der Räumungsaktion zeigt, wie ein Polizist ein Plakat entfernte,
auf dem stand: „Wir werden nicht gehen, bis unsere Forderungen erfüllt
sind. 1. Eine 50-prozentige Kürzung der Budgets für das Seattle Police
Department. 2. Finanzielle Unterstützung für Schwarze Gemeinschaften. 3.
Befreiung aller Demonstrant*innen“.
Nachdem die Polizei die Aktivist*innen aus dem Gebiet vertrieben hatte,
wurden große Baumaschinen eingesetzt, um Betonblöcke und Müll zu entfernen.
„Die große Menge an Graffiti, Müll und Sachschäden schockierte mich“, sagte
Best.
## Zwei Tote und viele Verletzte
Bürgermeisterin Durkan erklärte auf einer Pressekonferenz, dass sie die
[4][Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt] weiterhin unterstütze. Die
jüngsten Gewalttaten innerhalb der „autonomen Zone“ hätten ihr jedoch keine
andere Wahl gelassen, als das Gebiet zu räumen.
„Zwei Teenager starben und viele weitere wurden während Schießereien in der
Zone verletzt“, so Durkan. „Trotz unserer anhaltenden Versuche, die
Situation zu deeskalieren und die Gemeinschaft zusammenzubringen, forderten
uns diese Gewalttaten zum Agieren auf.“
Auch von außen wurde der Druck auf die Regierungen des US-Bundesstaates
Washington und der Stadt größer. Präsident Donald Trump bezeichnete das
zaghafte Vorgehen von Gouverneur Jay Inslee und der Stadtregierung
gegenüber den Aktivist*innen als „desaströs“.
Eine Gruppe von Geschäftsleuten leitete zudem rechtliche Schritte gegen die
Stadt ein. Die Geschäftsleute argumentieren, dass sie von Behörden
alleingelassen wurden und es ihnen deshalb nicht möglich war, ihre
Geschäfte zu führen.
2 Jul 2020
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Hansjürgen Mai
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