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       # taz.de -- Tanzen in Coronazeiten: „Gerade eine hochsensible Zeit“
       
       > Abstandsregelungen und Clubkultur miteinander zu verbinden, ist eine
       > echte Herausforderung, weiß Lutz Leichsenring von der Clubcommission
       > Berlin.
       
   IMG Bild: Zum Tänzchen im Park: DJ Himself legt im Volkspark Hasenheide bei einer Party auf
       
       taz: Herr Leichsenring, auf dem Gelände des Vereins Haselhorst13 in Spandau
       hätte am Wochenende die erste legale Open-Air-Partyveranstaltung seit
       Corona stattfinden sollen. Auch die Clubcommission wurde über diese vorab
       informiert. Bevor es richtig losging, löste die Polizei jedoch das Treiben
       wieder auf. Wissen Sie, was genau vorgefallen ist? 
       
       Lutz Leichsenring: Die Veranstaltung wurde sehr kurzfristig geplant. Somit
       konnte man auch nicht die Behörden langsam sensibilisieren für sein
       Anliegen. Es stimmt, wir als Clubcommission hatten uns vor Ort ein Bild
       gemacht und hatten auch an einem Treffen der Veranstalter teilgenommen.
       Doch offensichtlich kam die Genehmigung nicht rechtzeitig. Und solange
       nicht alle Genehmigungen vorliegen, kann so eine Veranstaltung auch nicht
       durchgeführt werden. Für das Thema Partys ist es eben gerade eine
       hochsensible Zeit und keiner seitens der Verwaltungen hat Lust, sich die
       Finger zu verbrennen. Das kann ich auch irgendwo nachvollziehen.
       
       Es musste also zwangsläufig so laufen, wie es gelaufen ist? 
       
       Es wurden auch einfach Fehler gemacht. Wie gesagt, der größte Fehler war,
       dass die Veranstaltung begonnen hat, ohne dass dafür eine vollständige
       Genehmigung vorlag. Und eben bei der Kommunikation mit den Behörden. Wenn
       jemand so eine Veranstaltung besser vorbereitet, sich genug Zeit lässt und
       das mit einer gewissen Professionalität angeht, werden die Behörden so
       einer Geschichte auch eine Chance geben.
       
       Die Clubcommission setzt sich vehement für legale Tanzveranstaltungen im
       Freien ein. Fast wäre es jetzt endlich so weit gewesen. Ist das jetzt ein
       herber Rückschlag? 
       
       Für uns ist es gerade eine schwierige Zeit. Wir sehen ein, dass
       Veranstaltungen im Innenraum zu einer Art Petrischale für das Virus werden
       könnten. Aber auf der anderen Seite sind wir daran interessiert, dass es
       Alternativen zu den illegalen Raves gibt. Dass es jetzt nicht einmal in
       Spandau geklappt hat, also nicht einmal irgendwo in der zentralen
       Stadtmitte, ist natürlich schon ein wenig schade.
       
       Die Clubs halten sich bislang noch sehr bedeckt damit, Hygienekonzepte zu
       erarbeiten und selber Open-Airs veranstalten zu wollen. Sie öffnen lieber
       weiter ihre Biergärten. Woran liegt das? 
       
       Ich kann verstehen, dass Clubs, die vielleicht noch die beste Infrastruktur
       für Tanzveranstaltungen haben mit ihren Außenflächen, erst einmal sehr
       vorsichtig sind. Denn was man nicht haben möchte als Clubbetreiber, gerade
       in Berlin, ist, eine Art Policing durchzuführen. Also den Leuten ständig
       über die Schulter zu schauen mit Security und ihnen zu sagen, was sie
       machen und was sie nicht zu machen haben.
       
       Statt der Clubs sind so die Partykollektive gefragt. In Spandau steckte ja
       auch eines hinter dem geplanten Rave. 
       
       Ja, aber da gibt es ja auch Überschneidungen. Viele Clubs sind aus
       Kollektiven entstanden, viele arbeiten mit Kollektiven zusammen. Aber diese
       Strukturen, die sich aus Künstlern zusammenstellen und keine feste Location
       haben, sind diejenigen, die schon immer in dieser Zeit des Jahres ihre
       Open-Airs veranstalten.
       
       Die Politik scheint ihr Anliegen durchaus zu verstehen. Die
       Bezirksbürgermeister von Pankow, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg wollen
       unbürokratisch Freiflächen zur Verfügung stellen. 
       
       Wir schätzen es sehr, dass hier von der Politik proaktiv Angebote gemacht
       werden. Weil irgendwann kommt es zu einer Umgehung der Verbote. Und wenn
       dann illegale Partys organisiert werden, im Verborgenen veranstaltet wird,
       ist das für alle die schlechtere Alternative. Deswegen müssen wir daran
       arbeiten, dass es die legalen Möglichkeiten gibt.
       
       Findet denn da bald etwas statt, in Marzahn-Hellersdorf oder Pankow? 
       
       Da ist gerade noch alles im Fluss. Es gibt bereits die ersten
       Interessenten, die ersten Gespräche und Begehungen. Aber so weit ich weiß,
       ist da offiziell noch keine Veranstaltung angekündigt worden.
       
       So leicht, einen Rave unter Coronabedingungen durchzuführen, ist es auch
       nicht, oder? 
       
       Auch für uns als Clubcommission ist das eine Gratwanderung. Clubkultur hat
       sehr viel mit Interaktion, Vernetzung mit Leuten, teilweise mit
       Geschlechtsverkehr zu tun. Die Hygieneregelungen schränken all das deutlich
       ein oder machen es unmöglich. Da versuchen wir einen Weg zu finden. Wie der
       genau aussieht, das müssen die Veranstalter und ihre Gäste aber selbst
       austarieren.
       
       Wie will man überhaupt das mit den Abstandsregeln hinbekommen? 
       
       Das hängt von der Veranstaltung und den räumlichen Gegebenheiten ab. Wir
       haben keinen Masterplan entwickelt, in dem wir vorgeben, wie das auszusehen
       hat. Mit einer gewissen Kreativität kann jeder Veranstalter selber
       überlegen, wie er das macht: ob das nun Punkte auf dem Boden sind, auf
       denen getanzt wird, oder ob die Leute Gewänder tragen, die für Abstand
       sorgen, oder jeder tanzt in einem aufgeblasenen Ball.
       
       Doch nach dem zweiten Bier hält sich eh niemand mehr an die Regeln, oder? 
       
       Das ist ziemlich menschlich, dass man den Kontakt und die Nähe zu anderen
       sucht. Man ist ja im Club normalerweise sehr achtsam und auf Solidarität
       bedacht. Aber klar, Abstandsregelungen und Clubkultur miteinander zu
       verbinden, das ist eine echte Herausforderung.
       
       6 Jul 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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