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       # taz.de -- Büchnerpreis für Elke Erb: Da öffnet sich was
       
       > Elke Erb, die stets auf dem Eigensinn der Lyrik beharrte, bekommt den
       > Büchnerpreis. Damit wird die Vielfalt der deutschsprachigen Literatur
       > gewürdigt.
       
   IMG Bild: Beharrt stets auf den Eigensinn des Literarischen: Preisträgerin Elke Erb
       
       Ein Schatz ist die deutschsprachige Literatur. Ein Reservoir an
       Schreibweisen und Denkmöglichkeiten, an Haltungen zu Sprache und
       Gesellschaft. Viel gibt es da zu entdecken. Zum Beispiel die [1][Autorin
       Elke Erb], die ein Leben lang in beiden deutschen Staaten die Sprache auf
       ihre Funktionen abgeklopft hat und jetzt zu Recht den wichtigen
       Büchnerpreis bekommen wird.
       
       Aber, Elke Erb? Man kann dieser Autorin viel Gutes nachsagen, aber nicht,
       dass sie zuletzt breitenwirksame Debatten losgetreten hätte. Doch man
       sollte die Relevanz von Literatur nicht an ihrer Debattenlautstärke messen.
       Das, was Elke Erb schreibt, verhält sich zur öffentlichen Debatte in etwa
       so wie die Grundlagenforschung zur Breitenanwendung.
       
       Bevor die Menschheit Supercomputer erfand, musste sie auch erst einmal
       quantenmechanische Fragestellungen klären. Elke Erb hat stets auf dem
       Eigensinn des Literarischen beharrt und damit Generationen von
       Lyriker*innen beeinflusst. Gerade in der jungen Lyrikszene genießt sie
       einen beinharten Ruf (um nicht den etwas doofen „Kultstatus“ zu bemühen).
       
       ## Ein seltsames Jahr 2020
       
       Längst muss man nicht mehr bedauern, dass es öffentliche
       Literaturschwergewichte wie Günter Grass oder Christa Wolf zur Zeit nicht
       gibt. Man bekommt die Bedeutsamkeit der Literatur nur nicht mehr in
       stellvertretenden Ringkämpfen von Geist und Macht wie in der alten
       Bundesrepublik und der DDR frei Haus geliefert.
       
       Dafür bekommt man anderes. In diesem seltsamen Jahr 2020 hat Lutz Seiler
       für seinen Wenderoman „Stern 111“ den Leipziger Buchpreis erhalten. Die
       Eröffnungsrede beim Bachmannpreis hielt die Schwarze Autorin [2][Sharon
       Dodua Otoo]. Den Bachmannpreis bekam die zuletzt vergessene [3][Helga
       Schubert]. Und im Oktober wird also Elke Erb der Büchnerpreis feierlich
       überreicht werden, wenn auch womöglich nur im Livestream. Es öffnet sich
       derzeit etwas im Literaturbetrieb.
       
       Das könnte man nun an der Aufmerksamkeit für deutsch-deutsche Themen
       festmachen, an der Repräsentanz afrodeutscher Schreibweisen oder auch am
       Verhältnis von Männern und Frauen – der beim Büchnerpreis nun noch immer
       beim Missverhältnis von 58 Preisträgern und 11 Preisträgerinnen seit 1951
       steht. Aber fast noch wichtiger ist die inzwischen offenbar vorhandene
       Sensibilität dafür, dass viele unterschiedliche Schreibweisen nötig sind,
       um eine interessante Literatur zu haben. Die Zeiten, in denen man
       literarischen Eigensinn und Massentauglichkeit, experimentelle Schreibweise
       und Themenvermittlung gegeneinander ausspielen kann, sind vorbei.
       
       Was es nun noch braucht, ist die [4][Neugier der Leserinnen und Leser].
       
       8 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dirk Knipphals
       
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