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       # taz.de -- Die Wahrheit: Coronaparadise closed
       
       > Neues aus Neuseeland: Im fernen Aotearoa ist nur noch willkommen, wer
       > einen landestypischen Pass sein Eigen nennt. Das hat gar tragische
       > Folgen.
       
       Seit März sind unsere Grenzen dicht und wir seitdem sicher vor Corona. Das
       war genial von unserer heiligen Jacinda der Virenschlachthöfe – hätte Boris
       mit seiner verbrexten Insel auch mal machen sollen. Unsere
       Premierministerin Jacinda Ardern geht als Anti-Trump in die Geschichte ein,
       und Aotearoa ist fein raus als covidfreies Paradies. Doch das hat leider
       eine unheilige Seite. Migranten müssen draußen bleiben.
       
       Seit der Pandemie sind rund 10.000 Eingewanderte, die ein mehrjähriges
       Arbeitsvisum für Neuseeland haben, aber keine dauerhafte
       Aufenthaltsgenehmigung, anderswo gestrandet. Im Gegensatz zu gebürtigen
       Kiwis dürfen sie nicht in ihre neue Heimat zurück. So wie die Argentinierin
       Caroline Zalazar, die seit 2008 in Auckland lebt und dort vor zehn Jahren
       ihre Tochter bekam. Sie hat aber keinen neuseeländischen Pass.
       
       Als Geburtstagsgeschenk für ihr Kind buchte Zalazar bereits vor einem
       dreiviertel Jahr eine Reise nach Bali. Mitte März ging es los, für eine
       Woche. Zwei Tage nach der Ankunft wurden alle reisenden Kiwis gebeten,
       schleunigst heimzukommen. Doch am Flughafen schickte man Zalazar zurück:
       kein Kiwi-Pass, keine Rückkehr. Ihre Tochter hatte einen psychischen
       Zusammenbruch. Drei Monate ist das her, beide sind noch immer in Bali. Ein
       tragischer Fall von vielen.
       
       Oder Marianna Tomarelli, seit acht Jahren liiert mit Leon von de Vril,
       Drag-Performer in Lyttelton. Bei ihrer Hochzeit am Hafen war ich dabei –
       Korken knallten, ein Sturm zog auf, die Braut sprang ins Wasser. Jetzt
       sitzt sie in Schottland fest. Im Februar wollte Marianna, kurz Maz,
       eigentlich ihrer großen Liebe folgen und endlich für immer nach
       Christchurch ziehen. Sie war schon oft hier. Leon flog vor. Dann ihr Hund.
       
       Maz sollte schließlich am 19. März reisen. Es war der Tag der spontanen
       Grenzschließung. Auch die Schottin durfte nicht ins Flugzeug steigen. Als
       Angehörige hätte sie zusammen mit ihrem Mann fliegen müssen. Der plant
       einen Fundraiser für seine Frau und versucht verzweifelt, auf die Behörden
       einzuwirken. Doch die wissen noch nicht mal, wann sie den Antrag
       bearbeiten. Die Grenzöffnung kann Jahre dauern. Das traute Paar bleibt
       solange getrennt.
       
       Hart, aber gerecht? Abgesehen davon, dass die Solidarität des „Teams von
       fünf Millionen“ nicht so weit reicht, dass jeder hier gleichen Schutz
       genießt und nach Jahren harter Arbeit in Jobs, die viele Kiwis nicht machen
       wollen oder können, genauso dazugehört – abgesehen von dieser
       Diskriminierung stinkt an der Selektion derer, die ins Land dürfen, noch
       etwas anderes. Und das ist ziemlich blau.
       
       Vor einem Monat landete ein Charterflug aus Los Angeles in Wellington – mit
       der Filmcrew für den neuen „Avatar“-Film, samt Regisseur James Cameron. Für
       die 56 Hollywood-Leute, die kein Zuhause in Neuseeland haben, wurde eine
       Ausnahme gemacht, weil die Dreharbeiten die heimische Wirtschaft ankurbeln
       und 600 Arbeitsplätze schaffen. Ich warte weiter auf Maz.
       
       9 Jul 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anke Richter
       
       ## TAGS
       
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