# taz.de -- Um M-Straße erneut Debatte entbrannt: Trotzdem danke fürs Aufwecken
> U-Bahnhof „Mohrenstraße“ soll in „Glinkastraße“ umbenannt werden? Dabei
> gibt es von Decolonize Berlin einen Namensvorschlag. Ein Wochenkommentar.
IMG Bild: Es gab auch diesen Namensvorschlag für die U-Bahnhaltestelle „Mohrenstraße“
Ein kleines Lehrstück in Sachen „Eigenwerbung, die nach hinten losgeht“ hat
dieser Tage die BVG geliefert. Da verkündet der landeseigene Betrieb aus
dem Nichts heraus, dass der [1][U-Bahnhof „Mohrenstraße“ umbenannt werde in
„Glinkastraße“]. Begründung: „Als weltoffenes Unternehmen“ lehne man
„jegliche Form von Rassismus oder sonstiger Diskriminierung ab“. Das klingt
erst mal gut und scheint zu zeigen, dass die Diskussionen der letzten
Wochen und Monate (Black Lives Matter) mancherorts eine gewisse Wirkung
erzielt haben.
Dennoch hagelte es umgehend Kritik – zurecht: Denn die BVG hat mit ihrer
einsamen Entscheidung ausgeblendet, dass es um die M-Straße und den dazu
gehörigen Bahnhof seit Jahren Diskussionen gibt. Und vor allem AkteurInnen,
allen voran das Bündnis Decolonize Berlin, denen die Abschaffung der
M-Straße ein echtes Anliegen ist, die Expertise haben – und sogar einen
konkreten Vorschlag für einen Straßennamen. Wer an ihnen und der Debatte
vorbei einen Namen von oben dekretieren will, zeigt, dass er von
postkolonialer Aufarbeitung und Erinnerungskultur noch nichts verstanden
hat. Denn beides kann ohne engagierte Zivilgesellschaft und deren
Multiperspektivität nicht funktionieren.
Da überzeugte auch nicht das Argument der BVG, (Michail Iwanowitsch) Glinka
sei der einzig mögliche Name, da sonst keine Straße in der Nähe des
Bahnhofs in Frage käme. Denn warum hat man nicht gewartet, bis die M-Straße
einen neuen Namen bekommt? Straße und Bahnhof waren doch immer zusammen
gedacht worden.
Die Antwort ist offenkundig: Man wollte die Gunst der Stunde nutzen – für
gute PR, die wenig kostet, weil man im Dezember wegen der neuen U5 ohnehin
alle Pläne ändern muss.
## Namensvorschlag von Decolonize Berlin
Doch Glinka ist weder alternativlos – noch eine gute Idee. Nicht nur weil
sich im Laufe der Woche herausstellte, dass der russische Komponist
(1804–57) mutmaßlich Antisemit war. Mit einer „Glinkastraße“ würde auch der
koloniale Kontext verloren gehen – also genau die Geschichtsklitterung
passieren, die Gegner von Umbenennungen immer monieren.
Der [2][Namensvorschlag von Decolonize Berlin] dagegen –
„Anton-Wilhelm-Amo-Straße“ – bleibt beim Thema, wechselt aber die
Perspektive, indem sie an den ersten Gelehrten und Sklavereigegner
afrikanischer Herkunft an einer preußischen Universität erinnert.
Dass darüber jetzt alle reden, ist am Ende das Gute an der BVG-Aktion.
Zumal sich der Landesbetrieb einsichtig zeigte und am Mittwoch erklärte,
Glinka sei ja nur ein Vorschlag, Hauptsache die M-Straße komme bald weg.
Das wird aber noch ein Weilchen dauern, denn nun ist der für die Straße
zuständige Bezirk Mitte wieder am Zug. Und dort hat man – trotz grünem
Bürgermeister und rot-rot-grüner Mehrheit – das Anliegen bislang nicht
gerade mit Verve betrieben. Aber vielleicht sind die Lokalpolitiker jetzt
aufgewacht. Dafür dann doch: danke, BVG!
11 Jul 2020
## LINKS
DIR [1] /Debatte-um-U-Bahnhof-Mohrenstrasse-in-Berlin/!5694152&s=Mohrenstra%C3%9Fe/
DIR [2] https://www.decolonize-berlin.de
## AUTOREN
DIR Susanne Memarnia
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