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       # taz.de -- Rassistische Drohbriefe in Hannover: Gastronomen bekommen Hass-Post
       
       > Mehrere türkischstämmige Gastronomen in Hannover haben rassistische
       > Drohbriefe erhalten. Die Polizei ermittelt wegen Volksverhetzung.
       
   IMG Bild: Rassistisch bedroht: Gastronom Mehmet Kılıç vor seinem Restaurant im Steintorviertel
       
       Ein an „alle türkischen Geschäfte und Moscheen“ gerichtetes Drohschreiben
       haben mehrere türkische Gastronomen am Steintor in Hannover am vergangenen
       Wochenende erhalten. Die Staatsanwaltschaft in Hannover nimmt das eine
       Seite umfassende Schreiben ernst. „Wir wissen, dass solche Schreiben auch
       schon umgesetzt wurden“, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Klinge der taz. Es
       könne eine Unmutsäußerung sein, aber eben auch ein Tatankündigung.
       
       Bis jetzt sei aber noch unklar, wie viele Briefe anonym versendet wurden,
       sagt Klinge. Zwei seien schon bekannt, die Polizei ermittelt aber noch vor
       Ort, fragt weitere Gastronomen im Viertel. Einer der Betroffenen ist Mehmet
       Kılıç. Am Sonnabend fand er einen Brief mit dem Text in seiner Post und
       erstattete umgehend Anzeige. In dem Schreiben, dass dem NDR vorliegt, steht
       unter anderem: „Ihr werdet vernichtet“ und: „haut endlich ab, ihr scheiß
       Drecks-Kanaken, wir hassen euch“. Am Steintor, so das Schreiben weiter,
       werde es „bald schweren Krieg geben (...) verlasst euch drauf“.
       
       Der Brief besorgt Kılıç, der das türkische Restaurant „Urfa Sofrasi“ mit 30
       Mitarbeitern betreibt. Seit 26 Jahren lebt er in Deutschland, seine Töchter
       sind hier geboren. „Bisher hatten wir solche Probleme in Hannover nicht“,
       sagte er dem NDR. Nun sorge er sich um die Familie und die Mitarbeiter:
       „Ich hoffe, dass die Polizei uns unterstützt.“
       
       Unterzeichnet ist das Schreiben mit: „Die Deutschen“. Gedroht wird darin
       auch, dass Rocker bald Moscheen anzünden würden und Kontakte zum
       stadtbekannten „Hells Angels“-Chef Frank Hanebuth bestünden. In der
       niedersächsischen Landeshauptstadt sind die Rocker im Steintorviertel schon
       lange eine Größe. Über seinen Anwalt hat sich Hanebuth aber schon von dem
       Schreiben distanziert und versichert, „den Verfasser“ nicht zu kennen.
       
       Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob die vorliegenden Briefe von einer
       einzigen Person stammen oder von mehreren Personen. Ermittelt wird wegen
       Volksverhetzung. „Wir werden alles versuchen, um diesen Absender zu
       fassen“, sagt Oberstaatsanwalt Klinge.
       
       ## Ähnliche Fälle im Norden
       
       In Schleswig-Holstein hatte die Polizei vor knapp einen Jahr im Fall eines
       anonymen Hass-Brief-Schreibers einen Ermittlungserfolg. Im April 2019 nahm
       sie den einschlägig polizeilich bekannten André M. aus Halstenbek fest. In
       der Folge offenbarten die Ermittlungen, dass noch eine zweite Person
       mitwirkte – entdeckt hat die Polizei sie bislang nicht.
       
       Seit Dezember 2018 hatte M. in nur drei Monaten von anonymisierten
       E-Mail-Adressen aus 103 Drohschreiben unter anderem an Linken- und
       GrünenpolitikerInnen, an die Bundesjustizministerin, an JournalistInnen und
       die Sängerin Helene Fischer versendet. Unterzeichnet waren sie mit
       „Nationalsozialistische Offensive“ (NSO).
       
       Im Darknet hatte M. Gewaltaufrufe veröffentlicht. Die meisten seiner Briefe
       enthielten Bombendrohungen – gerichtet an Gerichte, Rathäuser, Behörden,
       Bahnhöfe oder auch das autonome Zentrum Rote Flora in Hamburg. M. hatte die
       Ermittler selbst auf seine Spur gebracht, weil er über die Monate immer
       unvorsichtiger geworden war.
       
       Im Mai dieses Jahres fanden AnwohnerInnen in der hannoverschen Südstadt
       rassistische Briefe in ihren Briefkästen. Unterzeichnet waren sie mit:
       „Nationalsozialistische Offensive Deutschland (im Auftrag der NPD)“. Ein
       Zeugenhinweis brachte die Polizei auf die Spur des Täters: Der 19-Jährige
       hatte den Bedrohten in dem Brief in einer Liste zum Ankreuzen verschiedene
       Tötungsmethoden wie „Vergasung mit Zyklon B“ oder „Verbrennung“ angeboten.
       
       ## „Abschiebär“ vorm Dönerladen
       
       Im Januar dieses Jahres war die Polizei in der Südstadt gegen die
       rechtsextreme „Calenberger Bande“ vorgegangen. Die Gruppe soll monatelang
       vor allem in der Region diverse Anschläge und Sachbeschädigungen begangen
       haben. Die führenden Kader Patrick K.und Daniel B. waren bereits bei der
       2012 verbotenen rechtsextremistischen Gruppierung „Besseres Hannover“
       aktiv. Eines ihrer „Markenzeichen“ war die Kunstfigur des „Abschiebärs“: In
       Hannover tanzte ein rechter Kamerad in Bärenkostüm und „Abschiebär“-T-Shirt
       vor einem Dönerladen und einem Imbiss– und zeigte den Hitlergruß. Auch die
       „Calenberger Bande“ versendete Droh-E-Mails.
       
       Zuletzt erhielten PolitikerInnen aus Niedersachsen im Juni handschriftliche
       Drohbriefe mit eindeutigen Symbolen und mit einer weißen Substanz.
       Betroffen waren Politiker*innen aus dem Landkreis Hameln-Pyrmont und
       Parteibüros von SPD, CDU, Linken und Grünen in Göttingen. Die Substanz
       erwies sich als ungefährlich.
       
       14 Jul 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
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