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       # taz.de -- Beschwerden über Lehrer in Bremen: Entnazifizierung erfolglos
       
       > Ein Bremer Gymnasiallehrer fällt seit Jahren durch rechte Sprüche und als
       > Leugner des Klimawandels auf. Er darf er aber weiter unterrichten.
       
   IMG Bild: Schülerinnen mit Kopftuch wurden offenbar wiederholt Opfer verbaler Attacken des Lehrers
       
       BREMEN taz | Kommt ein Gymnasiast im schwarzen Pulli in die Klasse. Sagt
       der Lehrer: „Black makes me angry“. Heißt ein Schüler Cahit, so wird er von
       diesem Lehrer als „Dschihad“ angeredet, „mit einem Grinsen“, wie
       Augenzeug*innen berichten. Und es ist nicht der einzige „Witz“ des Lehrers
       auf Kosten seiner Schüler*innen: aus dem Vornamen Sama etwa wird offenbar
       schon mal Osama. Ein Siebtklässler musste sich anhören: „Ich weiß nicht, wo
       du herkommst, aber in Deutschland malen wir schön.“ Und ein anderer, der an
       der Beerdigung eines Familienangehörigen teilnehmen wollte: „Können die
       nicht schneller buddeln, oder an einem anderen Tag?“
       
       Die Vorfälle am [1][Bremer Kippenberg-Gymnasium] liegen zum Teil Jahre
       zurück, und die Liste der Vorwürfe gegen den Deutsch- und Geschichtslehrer
       ist auch noch viel länger. 58 Eltern und Schüler*Innen des Gymnasiums im
       gutbürgerlichen, rot-grün dominierten Bremer Stadtteil Schwachhausen haben
       sich nun zusammengetan und eine mit zahlreichen Beispielen untermauerte,
       sechsseitige Dienstaufsichtsbeschwerde geschrieben, die der taz vorliegt.
       Die Eltern- und Schülerschaft fordert, dass der Lehrer „ab sofort nicht
       mehr unterrichten darf“.
       
       Schulleitung und Schulaufsicht sehen das anders. Bei einem
       außerordentlichen Elternabend im Juni, so berichten Eltern, wurde zwar
       vereinbart, dass der Lehrer nicht mehr in jenen Klassen lehren darf, die er
       bisher unterrichtete, dafür aber in anderen derselben Schule. Zusätzlich
       solle er an einem „Coaching“ teilnehmen, berichtet die Sprecherin der
       Elterninitiative, Betina da Rocha.
       
       Bereits im März war der Lehrer Thema eines Elternabends – dabei räumte die
       Schulleitung ein, so berichten Eltern, „dass die Probleme seit Jahren
       bekannt seien“. Bereits am [2][Gymnasium Horn] war der Lehrer einschlägig
       aufgefallen. Und wurde deshalb in den benachbarten Stadtteil versetzt. Auch
       dort, am Kippenberg-Gymnasium, gab es Kritik an ihm.
       
       Er erklärte den Schüler*innen: „Klimawandel gibt es nicht“. Greta Thunberg
       nannte er „Thunfisch“ und forderte, die Aktivistin solle „den Mund halten
       und nichts sagen“. Seiner Klasse empfahl er: „Wer dem Klima helfen will,
       kann ja nach Indien gehen und die Straßen säubern.“ An anderer Stelle
       erklärte er den Gymnasiast*innen: „Ihr seid doch alle durch die linksgrüne
       Propaganda geblendet.“ Auch Muslim*innen wurden Eltern zufolge Ziel seiner
       Angriffe: „Geht in Deckung, gleich geht ’ne Bombe hoch“, soll er im
       Vorübergehen über zwei Schülerinnen mit Kopftuch gesagt haben.
       
       ## „Diskriminiert und eingeschüchtert“
       
       Der Lehrer habe Schüler*innen „herabgewürdigt, diskriminiert und
       eingeschüchtert“, schreiben die Eltern in ihrer Erklärung. Außerdem habe er
       genau jene Werte „massiv und anhaltend“ verletzt, die die Bildungssenatorin
       Claudia Bogedan (SPD) jüngst noch hochgehalten hatte, als es darum ging, ob
       die AfD-Aktivistin Ann-Katrin Magnitz, Tochter des
       AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz, Referendarin an einer Bremer
       Schule werden kann. Damals verlangte Bogedan von den Lehrer*innen noch „ein
       klares Bekenntnis gegen Rechtsextremismus, Rassismus und
       Fremdenfeindlichkeit, für Menschenwürde, Solidarität und
       Gleichberechtigung“.
       
       Die Eltern vertrauen nach eigenen Worten nicht mehr darauf, dass die
       Schüler*innen bei dem Beschuldigten „einen Unterricht erhalten, der
       respektvoll und fair ist, frei von Diskriminierungen und politisch
       neutral.“ Sie verlangen von der Aufsichtsbehörde und der Schulleitung
       „kurzfristig wirksame Maßnahmen“.
       
       Die sind nicht in Sicht. Die Bildungsbehörde will sich auf Nachfrage gar
       nicht zu dem Fall und den Vorwürfen äußern, der Lehrer selbst reagierte
       nicht auf eine kurzfristige Mailanfrage der taz. „Wir können zu der
       Dienstaufsichtsbeschwerde maximal sagen, dass die Vorhaltungen in Prüfung
       sind“, sagt die Ressortsprecherin Annette Kemp – und verweist nicht nur auf
       den Datenschutz, sondern auch auf „Fürsorgegründe“. Über die Fürsorge für
       die Schüler*innen sagt sie nichts.
       
       Dabei sei der Lehrer „seit Jahren“ für sein Verhalten bekannt, so da Rocha;
       eine Beschwerde von 2013 sei „versandet“, obwohl die Schüler*innen offenbar
       massiv litten. „Die brechen zum Teil in Tränen aus“, erzählt die Mutter
       eines Abiturienten.
       
       Die Dienstaufsichtsbeschwerde offenbart ein Klima der Angst – frühere
       Beschwerden seien zurückgezogen worden, weil Schüler*innen und Eltern
       schulische Nachteile durch den betreffenden Lehrer befürchteten, heißt es.
       Wohl deshalb kommt ihr Klage genau zum Ferienbeginn in Bremen. „Alle
       versuchen das auszusitzen“, sagt da Rocha über die Schulleitung, die
       Schulaufsicht und die Bildungsbehörde.
       
       16 Jul 2020
       
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   DIR [1] https://www.kippenberg.schule.bremen.de/
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