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       # taz.de -- Abstandsregeln in der Gastronomie: Wenn jeder Zentimeter zählt
       
       > Hamburger Gastronom*innen wollen auch draußen ausschenken. Zu ihrem
       > Leidwesen mahlen die Mühlen der Bezirksämter teilweise langsam.
       
   IMG Bild: Für viele Gastronom*innen existentiell wichtig: Außenbewirtung wie hier in Frankfurt
       
       Hamburg taz | Christian Budde weiß, woran er vermutlich scheitern wird: an
       lausigen vier Zentimetern. Vier Zentimeter fehlen ihm zur Unabhängigkeit
       von staatlichen Mitteln. Vier Zentimeter dazu, um endlich wieder eine Nacht
       ruhig schlafen zu können, denn die Misere trägt er 24/7 mit sich herum.
       
       Budde ist Weinhändler in Ottensen, bietet seine Weine in einer umgebauten
       Garage an und würde gern den Platz vor seinem Laden nutzen, um seine Gäste
       zu bewirten. Und er ist laut Verkehrsbehörde einer von rund 1.000
       Gastronom*innen, die Anträge auf eine Sondernutzungserlaubnis für
       Außengastronomie gestellt haben.
       
       Von 30 Plätzen in der Garage kann Budde unter Einhaltung der
       Abstandsregelungen von 1,5 Metern gerade mal 14 Plätze besetzen. Aber
       selbst die sind nicht sonderlich beliebt. „Selbst wenn ich alle Fenster
       weit aufreiße, bleibt die Angst, sich in geschlossenen Räumen schneller mit
       dem Virus anstecken zu können“, sagt Budde. Mit Außenbestuhlung würde er
       sechs bis acht Plätze an der Hauswand und ebenso viele auf der
       Garageneinfahrt bewirten können. Doch der Weg nach draußen ist
       sprichwörtlich steinig.
       
       „Für die Prüfung von Sondernutzungsanträgen gelten die Vorgaben nach dem
       Hamburgischen Wegegesetz“, sagt Dennis Krämer, Sprecher der
       Verkehrsbehörde. Die Erlaubnis könne nur erteilt werden, wenn die
       Sicherheit des Verkehrs und die Nutzung der Fläche für die Allgemeinheit
       nicht eingeschränkt werden.
       
       ## Keine Rückmeldung seit vier Wochen
       
       „Eine Gefährdungslage für die Bevölkerung darf zu keiner Zeit entstehen“,
       sagt die Sprecherin des Bezirksamtes Hamburg-Altona, Sabine Nolte. Wenn
       der Gehweg genutzt werden soll, müsse immer eine Breite von 1,50 m für den
       Publikumsverkehr bleiben. Auch dürften öffentliche Belange wie Baumaßnahmen
       oder Einnahmen durch Parkgelder nicht beeinträchtigt werden.
       
       Genau darüber bricht sich das Unverständnis Buddes bahn. Denn mit seiner
       Außengastronomie könnte er die geforderten 1,50 m vermutlich nicht
       einhalten. Die vier Zentimeter würden fehlen. Aber Budde sagt, parkende
       Autos würden in Ottensen kein Geld einbringen, vor allem nicht auf seiner
       privaten Garagenausfahrt, Ladenfläche aber schon. Mehr Fläche zum Ausschank
       heiße mehr Gäste, heiße mehr Umsatz und das heiße bekanntlich mehr
       Steuereinnahmen, argumentiert er.
       
       Vor genau einem Monat hat er den Antrag beim Bezirksamt Altona gestellt –
       bis heute hat er keine Rückmeldung bekommen, nicht einmal eine
       Eingangsbestätigung. Dass die Mühlen in dem Amt sehr langsam mahlen, kann
       auch Maik Hennig vom „barkombinat“ unterschreiben. Der in dem Kollektiv
       aktive Barbesitzer kritisiert, dass die verschiedenen Bezirksämter nicht
       gut zusammenarbeiten.
       
       Das Bezirksamt Mitte hat nach eigenen Angaben 72 Anträge zeitnah bearbeitet
       und auch genehmigt. Der Bezirk Altona hingegen kommt schon bei 23 Anträgen
       nicht hinterher. Nach [1][Berichten des NDR] dauert die Bearbeitung dort
       bis zu sechs Wochen. Seit Mitte Mai genehmigte Altona, nach eigenen
       Angaben, gerade einmal drei Anträge.
       
       In Eimsbüttel dauere die Bearbeitung nach Aussage des Bezirksamtes meist
       zwei Wochen, trotz 300 eingegangener Anträge. Hamburg-Nord erteilte auf 57
       Anträge 50 Genehmigungen und das jeweils innerhalb von 8 bis 10 Tagen.
       
       Man könnte argumentieren, dass sechs Wochen Bearbeitungszeit für
       Behördenverhältnisse doch moderat wären, doch selbst für den Weinhändler
       Budde, der seine Existenz noch nicht gefährdet sieht, kommt es nun auf
       jeden Tag an. Seine Weingarage ist mit dem Weinhandel eng verzahnt.
       Laufkundschaft kommt in die Garage, trinkt ein Gläschen Wein und kauft dann
       bestenfalls eine Flasche – mit Reservierungen kann er hier nicht arbeiten.
       Er befürchtet, mit der Zeit im Viertel nicht mehr wahrgenommen zu werden
       und in Vergessenheit zu geraten.
       
       Budde musste sich der Coronapandemie anpassen und für ihn ist nicht klar,
       warum nicht auch das Wegegesetz zumindest vorübergehend angepasst werden
       kann. Er wünscht sich eine gemeinsame Lösung für alle Gastronom*innen, denn
       mitunter habe nicht jede*r die Kraft, viel Rummel um die eigene
       Schankwirtschaft zu machen.
       
       Budde meint damit den Inhaber der Laundrette in Ottensen, Stephan
       Fehrenbach. Der stand wochenlang im Zwist mit der Altonaer Verwaltung und
       hielt sogar eine Mahnwache. Am Freitag feiert Fehrenbach dann die
       Neueröffnung seiner Außenfläche und Budde erhebt lächelnd das Sektglas auf
       ihn. Laut schreien, bis die Behörden einen hörten, dass könne nicht der
       Maßstab für die Genehmigung von Außenflächen sein, darüber sind sich die
       einst im Leide vereinten Betreiber einig.
       
       20 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hamburg_journal_1800/Gastronomen-aus-Altona-kritisieren-Bezirksamt,hamj97368.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Laura Strübbe
       
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