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       # taz.de -- Parlament in Kairo für Militäreinsatz: Ägypten will Intervention in Libyen
       
       > Kairo will libysche Regierungstruppen von der Einnahme der Stadt Sirte
       > abhalten – und sich einen Platz am Verhandlungstisch sichern.
       
   IMG Bild: Stratege: Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi
       
       Kairo taz | Ägypten steht in den Startlöchern für eine Militärintervention
       im benachbarten Libyen. Das Parlament in Kairo gab der Armee am Montagabend
       in einer geschlossenen Sitzung einstimmig den Segen, außerhalb der
       Landesgrenzen zu operieren. Das offizielle Ziel: „Die nationale Sicherheit
       Ägyptens an der strategischen Front im Westen gegen alle Taten krimineller
       Milizen und ausländischer terroristischer Elemente“ zu verteidigen.
       
       Mit den „kriminellen Milizen“ sind jene paramilitärischen Einheiten
       gemeint, die für die Regierung des libyschen Premier Fajis al-Sarradsch in
       Tripolis kämpfen, die „ausländische terroristischen Elemente“ sind deren
       türkischen Unterstützer. Beide sind Kontrahenten gegen den im Osten des
       Landes herrschenden General Haftar, jener Person in Libyen also, auf die
       Ägypten bisher gesetzt hat, die aber in den letzten Monaten eine herbe
       militärische Niederlage nach der anderen einstecken musste.
       
       [1][Schon vor dem Parlamentsbeschluss bereite der ägyptische Präsident
       Abdel Fattah al-Sisi die Öffentlichkeit auf eine Intervention vor.] Er
       sprach von einer roten Linie, wenn die Milizen aus Tripolis weiter nach
       Osten vorrücken und die Hafenstadt Sirte erobern.
       
       ## Details der Intervention sind noch unklar
       
       Außerdem hatte er ein paar Tage vor dem Parlamentsbeschluss einige
       ostlibysche Stammesführer nach Kairo einfliegen lassen, um sich von ihnen
       ein Mandat für einen ägyptischen Militäreinsatz geben zu lassen.
       
       Wann, wo und wie Ägypten in Libyen intervenieren wird, ist aber noch
       unklar. In der Erklärung des Parlaments in Kairo hieß es lediglich, dass
       „die Streitkräfte und dessen Führung nun die verfassungsmäßige Lizenz
       besitzen zu bestimmen, wann und wo sie auf Gefahren und Bedrohungen
       antworten werden“.
       
       Dabei ist es eher unwahrscheinlich, dass große ägyptische Truppenteile in
       Libyen zu einem Kampfeinsatz kommen. Wahrscheinlicher ist, dass es eine
       begrenzte militärische Aktion geben wird, etwa durch die ägyptische
       Luftwaffe oder die Marine.
       
       Möglich ist auch ein Einmarsch ägyptischer Truppen ein paar Kilometer nach
       Libyen hinein, also weit weg vom eigentlichen Kriegsgeschehen. Ein Schritt
       durch den Ägypten argumentieren könnte, seine Grenze abzusichern. Das würde
       Milizen im Osten freisetzen, um weiter westlich in Sirte eingesetzt zu
       werden.
       
       ## Militärische Präsenz soll Kairo Einfluss sichern
       
       Ägypten geht es weniger darum, militärische Gewinne zu erzielen. Es hat
       vielmehr verstanden, dass es militärisch in Libyen präsent sein muss, um
       später, wenn es um die Zukunft des Landes geht, mit am Verhandlungstisch zu
       sitzen.
       
       Denn die großen ausländischen Schwergewichte in Libyen sind militärisch vor
       Ort: die Türkei wegen ihres militärischen Engagements auf Seiten von
       Tripolis und Russland, das zur Unterstützung Haftars Söldner geschickt hat.
       
       Mit einem militärischen Engagement will Ägypten da auch mitreden, zumal im
       unmittelbaren Nachbarland Libyen nationale Sicherheitsinteressen betroffen
       sind. Außerdem sieht sich Ägypten als Regionalmacht in Konkurrenz zur
       Türkei.
       
       Wie zielführend eine ägyptische Intervention wäre, bleibt abzuwarten.
       Zunächst wird al-Sisi damit wahrscheinlich versuchen, den Vormarsch der
       Milizen aus Tripolis Richtung Osten aufzuhalten, in der Hoffnung, dass eine
       begrenzte Militäraktion ausreicht, um sie vor der Eroberung des strategisch
       wichtigen Ortes Sirte abzuschrecken.
       
       Aber es ist ein Spiel mit dem Feuer. Denn jede militärische Intervention
       kann dazu führen, dass sich Ägypten im libyschen Chaos verstrickt und in
       einem langen Abnutzungskrieg wiederfindet, in dem es keinen militärischen
       Sieger gibt. Der Albtraum eines jeden Militärs.
       
       21 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Karim El-Gawhary
       
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