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       # taz.de -- Hessens Grüne und die Drohschreiben: Leise und biegsam
       
       > Es ist erstaunlich still um die Grünen in Hessen. Die Partei will es sich
       > offenbar nicht mit dem Koalitionspartner verderben. Das könnte sich
       > rächen.
       
   IMG Bild: Ziemlich biegsam, ziemlich grün
       
       Eine rechtsextreme Gruppe von PolizistInnen nutzt geheime Informationen, um
       linke Politikerinnen, eine Kabarettistin und eine Anwältin mit
       Morddrohungen in Angst und Schrecken zu versetzen. Nicht einmal, sondern
       zwei Jahre lang. Der CDU-Innenminister Peter Beuth ist nicht in der Lage,
       für die Aufklärung dieser Taten zu sorgen. Dafür versichert er, dass es
       sich nur um einen Einzelfall handeln kann.
       
       Eine erstaunliche Erkenntnis angesichts der Tatsache, dass drei
       verschiedene Polizeicomputer für die Morddrohungen benutzt wurden.
       Eigentlich ist das ein Plot für einen „Tatort“ oder für eine
       Verschwörungserzählung, in der ein tiefer Staat sein Unwesen treibt. Aber
       das ist keine Fiktion, es passiert in Frankfurt und Wiesbaden. Das ist
       keine Kleinigkeit. Wenn die Polizei die Sicherheit der Bürgerinnen nicht
       schützt, sondern bedroht, dann ist etwas fundamental falsch.
       
       Verantwortlich ist CDU-Minister Beuth. Offenbar hielt er auch nach dem
       [1][Mord an Walter Lübcke] starr an der politischen Fehleinschätzung fest,
       dass es sich bei rechtsextremem Terror nur um Einzelfälle handeln kann.
       Beuth fehlt es an manchem, aber nicht an Selbstbewusstsein. Fehler sieht er
       bei anderen. Er feuerte den [2][Polizeipräsidenten] und würde am liebsten
       auch die LKA-Chefin vor die Tür setzen. Die übliche Mixtur aus Hybris,
       mangelndem Urteilsvermögen und handwerklichen Fehlern.
       
       Bemerkenswert ist, [3][was die Grünen in Hessen zu alldem zu sagen haben:
       nicht viel]. Man hört jedenfalls keine Kritik an dem famosen Innenminister.
       Das geräuschfreie Regieren mit der CDU geht den Grünen in Wiesbaden über
       alles – auch über eigene Grundsätze.
       
       Diese Dehnbarkeit zeigte sich bereits 2014, als die grüne Fraktion sich bei
       der Einsetzung des NSU-Untersuchungsausschusses lieber enthielt – mit
       Rücksicht auf Volker Bouffier, der als Innenminister bei der Aufklärung der
       Kasseler NSU-Morde eine fragwürdige Rolle spielte. Die Grünen reklamieren
       für sich gern höhere Moral. In Wiesbaden kann man sehen, wo dieser
       moralische Anspruch endet – exakt dort, wo die Taktik beginnt. Denn der
       Koalitionsfrieden geht über alles.
       
       Wenn diese Affäre kein Grund für einen Koalitionskrach ist, welche dann?
       Die Grünen werden noch lernen müssen, was die SPD nach der Agenda 2010
       schmerzhaft begreifen musste: Es rächt sich, wegen kurzfristiger Vorteile
       eigene Werte zu entsorgen. Hessen ist das Experimentierfeld und die
       Blaupause für Schwarz-Grün im Bund 2021. Das ist der einzig erfreuliche
       Effekt dieser Affäre in Wiesbaden. Man sieht nun, wie die Grünen in Berlin
       mit der Union regieren werden. Unauffällig, leise, biegsam.
       
       21 Jul 2020
       
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