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       # taz.de -- Freiheit im Urlaub: Kackt nicht auf den Rasen!
       
       > Man sagt ja immer, es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen. Tür auf
       > und raus, lasst die Kinder mal machen. So läuft es im Sommerurlaub.
       
   IMG Bild: „Jürni“ – hehe
       
       Jürni. So nennt mich meine kleine Tochter jetzt. Nicht Papa, nicht Vati,
       nein, Jürni. Seit wir im Urlaub sind, geht das so. „Jürni, weißt du wie
       mein Pferd heißt?“ – „Äh, nein.“ – „Blitz Felice.“ – „Aha, hieß es gestern
       nicht noch Hanna?“ – „Ja, es heißt jetzt Hanna Blitz Felice.“
       
       Im Gegensatz zum Pferd hab ich es mit der Namensgebung also noch gut
       getroffen. Trotzdem: Es stört mich. Nicht, dass sie mich mit Vornamen
       anspricht. Das finde ich in Ordnung. Ich hab meine Eltern auch beim
       Vornamen genannt. Was viele – wie ich später erfuhr – verstörend fanden.
       Aber so war es halt. Es kam einfach so. Mein Bruder, meine Schwestern, ich,
       alle haben das gemacht.
       
       Aber: Jürni?!? Was ist das für ein Name für einen gestandenen Vater wie
       mich? Der seinen Urlaub damit verbringt, mit aller Kraft die Terrasse zu
       schleifen, zu streichen, Löcher zu bohren, Bretter zu sägen, Schränke und
       Treppen zu reparieren. Niemand sonst nennt mich Jürni. Ich bin nicht der
       Typ „Jürni“. Die, die mir nahe stehen (Ehefrau, Eltern, enge Freunde)
       nennen mich selbstverständlich „Kruse“. Na gut, Ehefrau und Eltern nicht.
       Meine Mutter nennt mich „Heinrich“, aber das ist ’ne andere Geschichte.
       
       Aber für Tochter zwei bin ich jetzt Jürni. Sie muss sich das bei irgendwem
       aus der nahen Verwandtschaft abgehört haben. Mit denen sind oder besser
       waren wir hier im Ferienhaus. Und so lernen die beiden bei der einen Tante
       das und bei der anderen was anderes, und mit dem Cousin machen sie dieses
       und bei dieser Cousine jenes. Und sie klettern den Hügel hoch und gehen
       runter zum See und dort springt Tochter eins beim frühmorgendlichen
       Schwimmen um kurz nach 6 Uhr als Erste ins Wasser. Einfach so.
       
       ## Lasst die Kinder mal machen
       
       Todesmutig. Einmal den kleinen Zeh reingehalten, „uuh, kalt“ gesagt, mit
       den Schultern gezuckt, na ja, was soll’s – und mit einem Grätschsprung
       rein. Und wir Erwachsenen stehen auf dem Steg und denken immer noch nur:
       „uuh kalt“. Man sagt ja immer, es braucht ein Dorf, um ein Kind zu
       erziehen. Und ich glaube, dass das nicht nur auf die Menschen bezogen
       werden kann, sondern auch auf den Grad der Bewegungsfreiheit: Tür auf und
       raus, lasst die Kinder mal machen. So läuft es im [1][Sommerurlaub].
       
       Und ich habe das Gefühl, dass das gerade für unsere zweite Tochter mit
       [2][ihren Gendefekten] und dem daraus resultierenden schwachen Muskeltonus
       viele, viele Stunden Ergotherapie ersetzt. Sie kann hier mitten im Wald
       einfach machen. Alles. Denn bis auf die Regeln „Nicht alleine an den See“,
       „Die Kleine darf nicht ohne Schwimmflügel auf den Steg“ und „Kackt nicht
       auf den Rasen“ gibt es eigentlich keine Regeln.
       
       Es ist der größtmögliche Kontrast zum Berliner Alltag. Für ein paar Wochen
       sollen die Kinder es möglichst so haben, wie sie es sich wünschen (auch
       weil es hier kaum Unterhaltungselektronik gibt, haha). Da muss ich mich
       dann auch „Jürni“ nennen lassen. Ist schon okay. Solange das sonst niemand
       macht.
       
       21 Jul 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jürn Kruse
       
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