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       # taz.de -- Schwimmtraining in Corona-Zeiten: Plansch-Olympiade
       
       > Wegen Corona bleiben viele Schwimmbäder geschlossen. In Kalifornien
       > improvisieren Jacob Heidtmann und Marius Kusch mit einem privaten
       > Gartenpool.
       
   IMG Bild: Sitzt fürs Foto auch mal auf dem Trockenen: Schwimmer Marius Kusch im privaten Pool in San Diego
       
       Jacob Heidtmann und Marius Kusch hatten gerade einen Lauf, als das Virus
       kam und ihnen einen Strich durch die Rechnung machte. Die beiden Schwimmer
       im kalifornischen Profiteam „Elite“ hatten gerade locker die deutsche
       Olympianorm geknackt, und ihre Leistungen bei Profi-Meetings im Frühjahr
       wiesen sie eindeutig als Finalkandidaten für Tokio aus. Vielleicht wäre
       sogar noch mehr für sie drin gewesen, wenn die Schwimmwettbewerbe in Tokio
       in diesem Sommer stattgefunden hätten.
       
       Doch dann machten in Kalifornien, wo es vielleicht mehr Weltklasseschwimmer
       gibt als irgendwo anders, von einem Tag auf den anderen [1][die
       Schwimmbäder zu]. Weitere drei Wochen dauerte es noch, bis die Spiele dann
       auch offiziell verschoben wurden und aus dem Olympiaballon der beiden
       Schwimmer die Luft entfuhr wie ein trockener Furz.
       
       Wie viele andere Olympioniken in diesem Jahr mussten Heidtmann und Kusch
       sich erst einmal neu sortieren. Anders als etwa Läufer oder Radsportler
       konnten sie in dieser Lage jedoch nicht einmal ihre angestaute Energie in
       harte Trainingseinheiten kanalisieren.
       
       Wie beinahe überall in der Welt machten in Kalifornien Mitte März alle
       Schwimmbäder zu. Kaum ein Ort gilt als ein idealeres Biotop für Bakterien
       und Viren als Duschen und Umkleidekabinen öffentlicher Bäder, und auch für
       Olympiaschwimmer wurde da keine Ausnahme gemacht.
       
       ## Schwimmen im 14 Grad kalten Pazifik
       
       Heidtmann und Kusch hatten als Wahlkalifornier zumindestens noch Zugang zum
       Meer. Also ging es beinahe täglich hinunter an den Strand, manchmal mit,
       manchmal ohne Surfbrett. Dass der Pazifik im März und April gerade einmal
       14 Grad warm war, hielt sie nicht davon ab, den regelmäßigen Kontakt mit
       ihrem bevorzugten Element zu suchen.
       
       Nicht alle Kollegen der beiden deutschen Schwimmer konnten so leicht in
       freie Gewässer wechseln. So saßen etwa die beiden Olympiasieger Nathan
       Adrian und Ryan Murphy lange Zeit auf dem Trockenen. Von Murphy waren in
       dieser Zeit Videos zu sehen, wie er zur Krafterhaltung ein Auto im Leerlauf
       den Berg hochschob und an einem Ast vor seinem Haus Klimmzüge machte.
       Adrian schnallte sich Gewichte an die Füße, um im 15 Meter kurzen Becken in
       seinem Garten nicht allzu schnell ans andere Ende zu gelangen.
       
       Auf einen Gartenpool wichen auch die beiden Olympiasiegerinnen Katie
       Ledecky und Simone Manuel aus. Die beiden fanden in San Francisco, wo sie
       leben und trainieren, einen wohlhabenden Gönner, der auf seinem Grundstück
       ein Bad von 25 Yards Länge hat – dem Standardmaß für den amerikanischen
       College-Sport. Dort ziehen nun schon seit März ihre Bahnen.
       
       Die holländische Olympiasiegerin im 10 Kilometer Freiwasserschwimmen,
       Sharon van Rouwendaal, griff an ihrem Trainingsort Montpellier in
       Südfrankreich zu noch verzweifelteren Maßnahmen. Um ihre Grundfitness zu
       erhalten, begab sie sich in ihrem Hinterhof in ein aufblasbares
       Planschbecken, wo sie an einem Gummiseil stundenlang [2][auf der Stelle
       schwamm]. Damit trat sie einen regelrechten Trend los: Schwimmer auf der
       ganzen Welt bestellen sich seit April Kleinbecken für den Hausgebrauch
       nebst Gummileinen.
       
       ## Umziehen am Beckenrand
       
       Den deutschen Olympiaschwimmern geht es da noch vergleichsweise gut. An den
       Olympiastützpunkten in Magdeburg, Hamburg, Würzburg oder Essen wird seit
       Anfang Juni wieder beinahe normal trainiert. Doch der Zugang zur
       Schwimmhalle bleibt begrenzt, nur die Spitzenschwimmer werden geduldet,
       umgekleidet wird am Beckenrand, Duschen und Kabinen bleiben zu.
       
       Heidtmann und Kusch haben in Los Angeles mittlerweile auch jemanden
       gefunden, der ihnen seinen Gartenpool zur Verfügung stellt, in dem sie nun
       Sprinten üben können. Viele der großen Trainingszentren in den USA bleiben
       jedoch geschlossen. Olympiasieger Murphy muss von Woche zu Woche
       improvisieren und schauen, wo er mit seiner Trainingsgruppe im Großraum San
       Francisco unterkommt.
       
       In den kommenden Wochen dürften die Bedingungen für die amerikanischen
       Schwimmer eher noch schlechter werden. Kalifornien und Florida, die Zentren
       des Schwimmsports, gehören zu den Staaten, in denen die Corona-Infektionen
       wieder dramatisch ansteigen. Der kalifornische Gouverneur hat deshalb
       bereits viele öffentliche Einrichtungen, darunter Schwimmbäder, wieder
       geschlossen. Der republikanische Gouverneur von Florida, Ron De Santis,
       gedenkt hingegen weiterhin, das Virus zu ignorieren. Training findet dort
       nun auf eigene Gefahr statt.
       
       Noch ungewisser als die Trainingsmöglichkeiten ist für die Schwimmer
       derzeit das Wettkampfprogramm. Bis auf Weiteres sind keine Meetings
       geplant. Die Weltmeisterschaften im Dezember hängen in der Luft. Die
       US-Schwimmer wissen nur, dass sie irgendwann im kommenden Jahr ihre
       Ausscheidungswettbewerbe für Tokio 2021 haben werden – ihre einzige Chance,
       sich zu qualifizieren. Die Deutschen haben es da etwas besser: Schwimmer
       wie Heidtmann und Kusch, die ihre Norm bereits erfüllt haben, sollen auch
       2021 für das Team vorgeschlagen werden.
       
       Grund, sich fortan voll und ganz auf das Surfen zu konzentrieren, kann das
       jedoch nicht sein. „Es ist eine große Gefahr, sich jetzt gehen zu lassen“,
       sagt Kusch. Mit Wellenreiten allein ist in Tokio keine Medaille zu
       gewinnen.
       
       21 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Olympia-Schwimmer-waehrend-Corona/!5681717
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=C1BrC7vdk5w
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sebastian Moll
       
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