URI: 
       # taz.de -- Umwelt-Präzedenzfall in Kenia: 10 Millionen Euro Strafe
       
       > Die Aktivistin Phyllis Omido hat einen Sieg erzielt: Eine
       > Batterie-Recycling-Firma muss wegen Bleivergiftungen hohe Entschädigung
       > zahlen.
       
   IMG Bild: Phyllis Omido kämpft seit 2009 gegen die Bleivergiftungen durch eine Recyclingfirma
       
       Nairobi taz | Es war ein langer Kampf, aber nun wurden den rund 3.500
       Einwohnern des kenianischen Dorfs Owino Uhuru mehr als 10 Millionen Euro
       zugesprochen. Das kenianische Umweltgericht verurteilte den Staat sowie die
       Eigentümer der mittlerweise geschlossenen Batterie-Recycling-Fabrik EPZ,
       die Anwohner für die jahrelange Bleivergiftung durch eine Schmelzanlage zu
       entschädigen. Owino Uhuru liegt in der Nähe der Hafenstadt Mombasa. Einige
       Einwohner sind an der permanenten Bleibelastung gestorben, andere seit
       Jahren krank.
       
       „Wir freuen uns riesig über das Urteil. Mit dem Geld können die Einwohner
       sich jetzt Medizin leisten, um ihre Beschwerden zu verringern. Aber die
       Toten bringt es nicht zurück“, sagt Umweltaktivistin [1][Phyllis Omido] am
       Telefon. Das Gerichtsverfahren lief seit 2016.
       
       Das Gericht hat den kenianischen Staat zudem verdonnert, das kontaminierte
       Fabrikgelände und seine Umgebung zu reinigen. Sollte sich die Regierung
       nicht an diese Auflage halten, muss sie weitere 7 Millionen Euro an Strafe
       zahlen.
       
       Der lange Weg zum Sieg fing 2009 an, als Omido eine Stellung in der
       Recycling-Fabrik EPZ bekam. Nach nur drei Monaten kündigte sie, weil ihr
       Baby krank wurde und Ärzte im Blut ihres Sohns hohe Bleikonzentrationen
       fanden, das wahrscheinlich mit der Muttermilch aufgenommen worden war.
       
       ## Politik interessierte sich nicht für die Betroffenen
       
       Omido ließ auch andere Dorfbewohner testen: Viele hatten ebenfalls so hohe
       [2][Bleikonzentrationen] im Blut wie ihr Sohn. „Erst demonstrierten wir vor
       der Fabrik, dann schickten wir Petitionen an die lokalen Behörden und auch
       ans nationale Parlament. Aber keiner war an dem Schicksal der Einwohner von
       Owino Uhuru interessiert“, sagt Omido.
       
       Die Fabrik schloss 2014, nachdem die Regierung den Export von Metallschrott
       verboten hatte. Trotzdem gab Omido nicht auf, und ein Jahr später bekam sie
       den internationalen Goldman-Umweltpreis. Die 200.000 Dollar steckte sie
       großenteils in das Gerichtsverfahren. „Es war schwierig, gute Anwälte zu
       finden. Irgendwie verstanden die Anwaltskanzleien in Mombasa nicht, was sie
       mit unserer Klage anfangen sollten. Letztendlich fand ich eine Kanzlei in
       der Stadt Kisumu, im Westen von Kenia“, erzählt Omido.
       
       Das Gerichtsverfahren wurde sehr teuer, weil die Anwälte nach Mombasa
       fliegen mussten und in Hotels übernachteten. Klagen dauern in Kenia sowieso
       meist viele Jahre, weil die Gerichte mit Prozessen überflutet sind. „Je
       länger unser Kampf dauerte, desto hartnäckiger wurde ich. Es war Zeit und
       Geld wert, obwohl der Staat und die Firmeneigentümer natürlich noch
       Berufung einlegen können“, erklärt Omido.
       
       ## Urteil schafft einen Präzendenzfall
       
       Wichtig ist ihr auch, dass das Gerichtsurteil einen Präzedenzfall
       geschaffen hat, wie sich auch gegen andere industrielle
       Umweltverschmutzungen in Kenia vorgehen lässt. „Ich hatte schon viele
       Aktivisten am Telefon, die um Rat und Unterstützung baten. Der Kampf für
       eine saubere Umwelt hat erst angefangen.“
       
       Über Omidos Kampf ist schon ein Buch erschienen, das auf Deutsch den Titel
       „Mit der Wut einer Mutter“ trägt. Ihr Sohn ist jetzt 14 Jahre alt. Er hat
       sich über das Gerichtsurteil und den Sieg seiner Mutter gefreut. „Als ich
       ihn darauf hinwies, dass er der Anfang war, zuckte er nur die Schultern. Er
       ist halt ein gesunder, typischer Teenager, der momentan mit ganz anderen
       Sachen beschäftigt ist.“
       
       19 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bleirecycling-in-Kenia/!5637071
   DIR [2] /Recycling-von-Blei-aus-Deutschland/!5641693
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ilona Eveleens
       
       ## TAGS
       
   DIR Umweltgifte
   DIR Kenia
   DIR Recycling
   DIR Müll
   DIR Recycling
   DIR Elektroschrott
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Portugal verfehlt Recycling-Ziel: Müllpolitik ist gescheitert
       
       Es gibt zu wenig Recycling, aber Dörfer, in denen Müllkippen die Luft
       verpesten. Bürgerinitiativen kämpfen gegen Abfallimporte nach Portugal.
       
   DIR Bleirecycling in Kenia: „Das Blei ist überall!“
       
       Die kenianische Aktivistin Phyllis Omido kämpft für strengere
       Umweltauflagen beim Recyceln von Blei. Auch Deutschland stehe in der
       Verantwortung.
       
   DIR Recycling von Blei aus Deutschland: 1,8 Millionen Tonnen Elektroschrott
       
       Aus Deutschland wird immer wieder bleihaltiger, giftiger Elektroschrott
       illegal ins Ausland exportiert. Das belastet Umwelt und Menschen.