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       # taz.de -- Kosovos Präsident vor Gericht: Anklage gegen Thaçi
       
       > Dem ehemaligen UÇK-Chef und neun seiner Mitstreiter werden
       > Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt.
       
   IMG Bild: Der kosovarische Präsident Hashim Thaçi
       
       Sarajevo taz | Der jetzige Präsident und langjährige Ministerpräsident
       Kosovos [1][Hashim Thaçi] und neun seiner ehemaligen Mitstreiter, wie der
       frühere Parlamentspräsident Kadri Veseli, werden vor dem Sondergericht für
       das Kosovo wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.
       
       Das Gericht, das in Den Haag tagt und schon vor vier Jahren seine Tätigkeit
       aufgenommen hat, setzt sich aus kosovarischen und internationalen Richtern
       zusammen. Es soll sich mit Verbrechen im Rahmen der ehemaligen
       Führungsspitze der Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK) befassen. Bisher hatte
       das Gericht Stillschweigen über mögliche Anklagen bewahrt.
       
       Thaçi und die anderen Angeklagten seien für fast 100 Morde verantwortlich,
       heißt es in der Anklageschrift. Außerdem würden ihnen Kriegsverbrechen,
       Folter, Verfolgung und gewaltsames Verschwindenlassen von missliebigen
       Personen vorgeworfen. Und last not least: Die Angeklagten sollen in den
       vergangenen Jahren die Tätigkeit des Gerichts behindert haben.
       
       Das Gericht tagt aus Sicherheitsgründen in Den Haag, dem Sitz des
       ehemaligen UN-Tribunals für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien.
       Wegen seiner scheinbaren Untätigkeit wurde es in der Öffentlichkeit schon
       totgesagt.
       
       ## Vorwurf Organhandel
       
       Anlass für die Anklage gegen Hashim Thaçi gaben vor allem die Recherchen
       des Schweizer Juristen Dick Marty, der als Sonderberichterstatter des
       Europarats 2010 Vorwürfe wegen Organhandels gegen die UÇK erhoben hatte.
       Sein Bericht mündete in der Gründung des Sondergerichts 2016.
       
       In einem Exklusivgespräch mit dem kosovarischen TV-Sender RTK erklärte
       Marty vor Jahren jedoch, dass in seinem Bericht „nirgends von einer
       direkten Verwicklung Thaçis in den Organhandel die Rede“ sei. An dem
       Verbrechen seien aber Personen beteiligt gewesen, die zum Kreis Thacis
       gehörten.
       
       Die Organe sollen serbischen und albanischen Gefangenen auf Stützpunkten
       der Organisation in Nordalbanien entnommen und über den Flughafen Tirana
       weiter geschickt worden sein. Hinzu kommen noch Verbrechen an mit der UÇK
       konkurrienden Gruppen des albanischen Widerstands wie der
       Militärorganisation FARK während und nach dem Krieg 1998/99. Zudem werden
       der UÇK Verbrechen an Serben, Roma und Vertretern der Minderheit der
       Ashkali sowie Oppositionellen zur Last gelegt.
       
       Die Anklage kommt für Thaçi zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Denn am
       27. Juni sollten er und der serbische Minsisterpräsdient Aleksandar Vučić
       im Weißen Haus mit Beteiligung von US-Präsident Donald Trump ein
       Friedensabkommen zwischen Serbien und Kosovo auf den Weg bringen.
       
       Verhandler der EU waren ausgeschlossen worden. Nach bisherigen
       Informationen sollte dabei [2][ein Gebietsaustausch] zwischen Kosovo und
       Serbien beschlossen werden. Diesen lehnen sowohl die EU als auch die
       Mehrheit der Kosovobevölkeurung, viele Serben und die orthodoxe Kirche
       strikt ab.
       
       Nach der Anklageerhebung des Sondergerichts ist dieses Treffen in
       Washington nun wohl geplatzt. Stellungnahmen aus dem Umkreis Thaçis waren
       am frühen Abend noch nicht zu erhalten.
       
       25 Jun 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Erich Rathfelder
       
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