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       # taz.de -- Verfassungsschutz beobachtet „Ein Prozent“: Rechtsextreme Netzwerker
       
       > Der Verfassungsschutz stuft das neurechte „Ein Prozent“ als Verdachtsfall
       > ein. Die Gruppe fördert Pegida, Asylfeinde und die „Identitären“.
       
   IMG Bild: Wird auch von „Ein Prozent“ promotet: Der „Identitäre“ Alex Kleine, hier Redner bei Pegida
       
       BERLIN taz | Sie sind die nächsten, die sich der Verfassungsschutz
       vorknöpft: das Netzwerk „Ein Prozent“. Verfassungsschutzchef Thomas
       Haldenwang erklärte am Montag bei einer Anhörung im Bundestag, dass nun
       auch diese Gruppe als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft ist.
       Ausschlaggebend dafür sei deren ideologische Ausrichtung und die Vernetzung
       in der rechtsextremen Szene.
       
       Der Schritt war erwartbar. Bereits im Juli 2019 hatte der Verfassungsschutz
       [1][die „Identitären“ zum rechtsextremen Beobachtungsobjekt erklärt]. Im
       März diesen Jahres [2][folgte der „Flügel“ der AfD] und parallel das
       [3][Compact Magazin von Jürgen Elsässer] als Verdachtsfall. Einen Monat
       später [4][wurde das Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek
       eingestuft]. Und nun „Ein Prozent“. Haldenwang wirft der neurechten Szene
       eine „Entgrenzung einst klarer Trennlinien zwischen demokratischen,
       radikalen und extremistischen Positionen“ vor.
       
       Alle diese neu eingestuften Gruppen sind eng miteinander verzahnt,
       verstehen sich selbst als gemeinsame „Mosaikrechte“. Bei „Ein Prozent“
       zeigt sich dies ganz exemplarisch. So waren an dessen Vereinsgründung 2015
       in Sachsen [5][auch Kubitschek und Elsässer beteiligt]. Ihr Ziel war, das
       damalige Anti-Asyl-Wutbürgertum zu vernetzen und deren Aktionen zu
       unterstützen.
       
       Ein Prozent tituliert sich selbst als „Widerstandsplattform für deutsche
       Interessen“, eine Art Greenpeace von rechts. Das Credo, auf dem auch der
       Gruppenname fußt: Es reiche ein Prozent der Bevölkerung, um die eigene
       Agenda durchzusetzen.
       
       ## Wettern gegen „die politische Kaste“
       
       Als Gesicht fungiert Philip Stein, ein Verleger und Burschenschaftler. In
       Videos, Podcasts und Blogs gibt er seine Plattform betont modern.
       Inhaltlich werden aber alle Ressentiments der neurechten Szene geteilt:
       eine Herabwürdigung von Migranten und Muslime, ein Wettern gegen den
       „Antifa-Mob“ oder „die politische Kaste“. Auch die jüngsten
       „Black-Lives-Matter“-Protest tut „Ein Prozent“ als „Massenwahn“ ab.
       
       Die Gruppe ist auch verbandelt mit dem rechtsextremen AfD-Flügel um Björn
       Höcke. „Ihr seid die, die uns den Rücken freihalten“, dankte Höcke nach der
       jüngsten Thüringen-Wahl dem Netzwerk. Ein Prozent fördert auch Aktionen von
       Pegida, Moscheegegnern in Erfurt, Geflüchtetenfeinden in Cottbus oder
       rechten Gewerkschaftern in Baden-Württemberg.
       
       Und das auch finanziell: So will die Gruppe 2018 rund 380.000 Euro
       Spendengelder an „patriotische Projekte“ weitergegeben haben, etwa für
       Demomaterial oder Prozesskosten. 48.000 Personen sollen den Verein nach
       eigener Auskunft unterstützen. Die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen,
       aber sie deuten an, wie weit die Gruppe vernetzt ist.
       
       [6][Trotzdem konnte die Gruppe lange ungestört agieren]. Auch der
       Verfassungsschutz brauchte fast fünf Jahre, bis er nun reagierte. Auf
       Facebook und Instagram war „Ein Prozent“ dagegen seit einigen Monaten als
       „Hassorganisation“ gesperrt. Der Verein klagte dagegen – und verlor Mitte
       Juni letztinstanzlich vor dem Oberlandesgericht Dresden. Die Einstufung sei
       gerechtfertigt, da „Ein Prozent“ darauf ziele, Personen aufgrund ihrer
       ethnischen Abstammung oder Religion anzugreifen, befanden die Richter. Laut
       eigenen Angaben kostete „Ein Prozent“ der Rechtsstreit 100.000 Euro.
       
       Nun gibt es auch noch Ärger mit dem Verfassungsschutz. Schon nach den
       letzten Einstufungen im neurechten Spektrum hatte „Ein Prozent“ den
       Geheimdienst als „Diffamierer von Oppositionellen“ geschmäht. Anführer
       Philip Stein beschwor in einem Video als Gegenmittel die Solidarität unter
       den Neurechten. „Es sollte uns völlig egal sein, ob uns dieses Werkzeug der
       Etablierten, dieses Werkzeug der Einheitsparteien, beobachtet oder eben
       nicht.“
       
       In der AfD hat die Verfassungsschutzbeobachtung des „Flügels“ indes
       [7][große Unruhe ausgelöst], auch die „Identitären“ befinden sich im
       Niedergang. Wie lange „Ein Prozent“ durchhält, wird sich zeigen.
       
       29 Jun 2020
       
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