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       # taz.de -- Geheimdienst und Rechtsextremismus: „Eine neue Dimension“
       
       > Die Geheimdienstchefs warnen bei einer Anhörung vor rechtsextremer
       > Gefahr. Der Verfassungsschutz verschärft seine Beobachtung der Szene.
       
   IMG Bild: Die Chefs der Sicherheitsbehörden warnen vor rechten Netzwerken u.a. in der Bundeswehr
       
       BERLIN taz | Rechtsextreme in der Bundeswehr und Polizei, Brandbriefe aus
       dem KSK, ein radikalisierter AfD-Flügel: Die Präsidenten der Geheimdienste
       warnen vor rechtsextremen Gefahren. Der Rechtsextremismus sei die derzeit
       „größte Bedrohung für die Sicherheit“, sagte Verfassungsschutzchef Thomas
       Haldenwang am Montag bei der alljährlichen Anhörung der Geheimdienstchefs
       im Bundestag. Auch Christof Gramm, Präsident des Militärischen
       Abschirmdienstes (MAD), konstatierte eine „neue Dimension“ des
       Rechtsextremismus in der Bundeswehr.
       
       Bei früheren Anhörungen hatte Gramm noch von Einzelfällen in der Armee
       gesprochen, [1][obwohl unter anderem taz-Recherchen anderes nahelegten].
       Nun kam Gramm zu einer neuen Bewertung. Gerade in der Elitetruppe Kommando
       Spezialkräfte (KSK) könne man nun „nicht nur von Einzelfällen ausgehen“.
       Zwar habe man in der Bundeswehr weiter keine Untergrundarmee entdeckt.
       „Aber Beziehungsgeflechte oder, wenn Sie so wollen, Netzwerke oder
       Strukturen mit unterschiedlicher Qualität finden wir sehr wohl.“
       
       Gramm warnte auch vor „falschen Patrioten“ in der Armee, die sich nicht zum
       Grundgesetz bekannten. Diese „haben bei uns definitiv nichts verloren“. Der
       MAD-Chef sprach von 600 Verdachtsfällen in der Bundeswehr, die derzeit
       geprüften würden – ein hundert mehr als noch im Oktober 2019. Acht
       Rechtsextreme und zwei Reichsbürger seien 2019 klar identifiziert worden.
       Dazu kämen vier weitere Extremisten und 38 Personen „mit fehlender
       Verfassungstreue“. Beim recht kleinen KSK gebe es inzwischen immerhin 30
       Verdachtsfälle, davon seien zwei als Rechtsextreme und einer als Islamist
       identifiziert worden.
       
       ## Der Dauerproblemfall KSK
       
       [2][Einer der KSK-Männer war im Mai in Sachsen verhaftet worden]: Er hatte
       ein Sturmgewehr, Sprengstoff und Munition auf seinem Hof gebunkert. Ein
       Hauptmann der Elitegruppe beklagte darauf in einem Brief an
       Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), solche Vorfälle
       würden im KSK „kollektiv ignoriert oder gar toleriert“. Die Ministerin will
       sich zur Zukunft des KSK noch diese Woche äußern.
       
       Gramm ließ offen, ob die Elitegruppe womöglich gar aufgelöst werden müsste.
       Er räumte aber eine „Mauer des Schweigens“ beim KSK ein. Diese habe, auch
       durch die Interventionen des MAD, inzwischen „Risse“ bekommen.
       
       Verfassungsschutzchef Haldenwang verkündete derweil die [3][Hochstufung von
       Uniter, einem Netzwerk von Soldaten und PolizistInnen, vom Prüf- zum
       Verdachtsfall]. Trotz der inzwischen erklärten Auflösung in Deutschland
       „erhelle“ man hier derzeit die Hintergründe. Zudem soll bis zum Ende des
       Sommers ein Lagebild über Extremisten im öffentlichen Dienst vorliegen. Die
       Datenerhebung der Landesämter für Verfassungsschutz hatte sich hier zuletzt
       erheblich verzögert.
       
       ## Gefahr des Rechtsterrorismus besteht fort
       
       Haldenwang sprach insgesamt von einer „hohen Gefährdungsbewertung“ im
       Rechtsextremismus – und verwies auf die Attentate in Hanau, Halle und
       Kassel, auf Waffenfunde und die Gewaltbereitschaft der Szene. Dort
       existierten weiter rechtsterroristische Ansätze, mit schwersten Gewalttaten
       sei weiter zu rechnen, so der Verfassungsschutzchef. Zudem sei die Zahl der
       Rechtsextremen um ein Drittel auf 32.000 Personen gestiegen – vor allem
       durch die Zugänge des neu eingestuften Flügels der AfD und der
       AfD-Parteijugend. 13.000 der Rechtsextremen seien gewaltorientiert.
       Drastisch sei auch der Anstieg antisemitischer Delikte um 17 Prozent.
       
       Haldenwang betonte auch die Rolle der Neuen Rechten: Diese enttabuisiere
       antidemokratische Positionen und entgrenze extremistisches Denken. Er
       verkündete hier eine neue Einstufung: [4][Auch das neurechte Netzwerk „Ein
       Prozent“, das Anti-Asyl-Proteste fördert, werde nun als Verdachtsfall
       geführt]. Die Gruppe unterstütze Rechtsextreme und würdige Migranten und
       Muslime herab, so der Vorwurf.
       
       ## Auch linke Militanz steige „deutlich“
       
       Haldenwang warnte aber auch vor einer Radikalisierung der linksextremen
       Szene. Hier zähle man einen Anstieg um knapp fünf Prozent auf 33.500
       Personen, 9.200 davon gewaltorientiert. Linke Straftaten seien um 40
       Prozent auf 6.449 Delikte gestiegen. Auch in dieser Szene werde „Hass und
       Hetze gegen Menschen gepredigt“, sagte Haldenwang. Die Militanz sei
       „deutlich gestiegen“. Einige Kleingruppen würden sich abkaspeln und
       gezielte Gewalttaten gegen PolizistInnen, AfD-PolitikerInnen oder
       Immobilienvertreter ausüben. Auch Tötungsdelikte würden inzwischen
       hingenommen. Das sei „eine neue Qualität“.
       
       BND-Präsident Kahl sprach wiederum über die Folgen der Corona-Pandemie.
       Diese verschärfe weltweit Konflikte. Autoritäre Staaten versuchten im
       Schatten der Krise ihren Einfluss auszubauen. Das Vertrauen einiger
       BürgerInnen in den Staat erodiere. Die Lage sei ein „Stresstest für unsere
       Weltordnung“.
       
       29 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
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