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       # taz.de -- Neue Verfassungsrichterin: Eine Frau statt drei Männern
       
       > Die Ostdeutsche Ines Härtel wird neue Richterin am
       > Bundesverfassungsgericht. Die Personalie ist eine kleine Sensation.
       
   IMG Bild: Juristin Ines Härtel
       
       Nach monatelangem Stillstand gab es zum Schluss eine faustdicke
       Überraschung. Ines Härtel, Rechtsprofessorin an der Europa-Universität
       Viadrina in Frankfurt/Oder, wird neue Verfassungsrichterin als Nachfolgerin
       von Johannes Masing. Die Wahl findet schon an diesem Freitag im Bundesrat
       statt.
       
       Masing hatte im Ersten Senat die zentrale Zuständigkeit für
       Meinungsfreiheit, Persönlichkeitsrechte und Datenschutz. Wer hier
       nachfolgt, stellt die Weichen für den Umgang mit neuen
       Überwachungstechnologien, aber auch mit Hasskommentaren und
       Minderheitsrechten.
       
       Eigentlich war Masings zwölfjährige Amtszeit schon am 1. April abgelaufen.
       Doch die SPD-Ministerpräsidenten, die das Vorschlagsrecht für diesen Posten
       haben, konnten sich nicht einigen. Schon seit Monaten wurden die gleichen
       drei Männer genannt: Der Berliner Rechtsprofessor Martin Eifert wäre ideal
       qualifiziert gewesen, der Koblenzer Richter Lars Brocker war Kandidat der
       Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer und der [1][Potsdamer Sozialrichter
       Jes Möller] wurde von Dietmar Woidke, dem Landeschef von Brandenburg,
       gepusht. Seit 30 Jahren habe es noch keinen Verfassungsrichter mit
       Ost-Biographie gegeben, so Woidke. Allerdings konnte Möller für die
       anspruchsvolle Masing-Nachfolge zu wenig wissenschaftliche Qualifikationen
       vorweisen.
       
       Ines Härtel bringt nun beides mit, akademischen Hintergrund und eine
       Ostbiographie. Die 48-jährige wurde in Staßfurt bei Magdeburg geboren und
       absolvierte ihre Schulzeit noch in der DDR. Nach der Wende ging sie zum
       Studium in die nächstgelegene Rechtsfakultät nach Göttingen.
       
       ## Promotion im Düngerecht
       
       Ihr Schwerpunkt war lange Zeit das Landwirtschaftrecht, was ihr im
       Verfassungsgericht vielleicht nur bedingt helfen wird. Sie hat über
       „Düngung im Agrar- und Umweltrecht promoviert“. In den letzten Jahren
       wandte sie sich aber verstärkt der Digitalisierung zu. Dietmar Woidke kennt
       sie aus dem Digitalbeirat des Landes Brandenburg. Ihre Habilitationschrift
       hat sie über „Europäische Rechtsetzung“ verfasst, so dass sie auch in
       dieser Zukunftsfrage gute Grundlagen mitbringt. Als Verfassungsrechtlerin
       ist sie bisher allerdings noch weitgehend unbekannt.
       
       In einem Aufsatz zur „Digitalisierung im Lichte des Verfassungsrechts“
       lehnte sie 2019 eine verhaltenslenkende Totalüberwachung wie in China ab.
       „Menschenwürde, Grundrechtsgeltung und Humanität“ müssten die
       Ausrichtungspunkte für die digitale Neugestaltung unserer Welt sein.
       
       Ines Härtel wird bereits die neunte Frau unter den 16 Verfassungsrichtern
       in Karlsruhe sein. Das Bundesverfassungsgericht ist damit zum ersten Mal
       überquotiert. Allerdings war für ihre Wahl eindeutig nicht das Geschlecht,
       sondern die ostdeutsche Herkunft ausschlaggebend.
       
       Härtels Wahl am kommenden Freitag im Bundesrat gilt als sicher. Ihre
       Amtszeit beginnt, sobald ihr der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
       den Eid abnimmt.
       
       1 Jul 2020
       
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