# taz.de -- Anklage gegen Boliviens Ex-Präsident: Rechter Machtanspruch
> Boliviens Staatsanwaltschaft hat gegen Ex-Präsident Evo Morales Anklage
> wegen Terrorismus erhoben. Doch die Hintergründe sind rein politisch.
IMG Bild: Der ehemalige bolivianische Präsident Morales im Februar diesen Jahres
Boliviens Staatsanwaltschaft hat gegen den linken Ex-Präsidenten Evo
Morales Anklage wegen Terrorismus erhoben. Grundlage ist ein während der
Unruhen nach Morales’ Abgang im letzten Jahr entstandenes Video, auf dem
ein zu dem Zeitpunkt gesuchter Cocabauern-Anführer von Morales telefonische
Anweisungen zur Blockade von Städten erhalten soll.
Ungeachtet dessen, ob die Aufnahme nun echt und die Stimme tatsächlich von
Morales ist – wie schon vor vier Monaten ein Expertenteam bestätigte – oder
gefälscht, wie Morales sagt: Protestblockaden sind kein Terrorismus. Und
einen Prozess kann es nicht geben, solange Morales im Asyl in Argentinien
ist. Rechtlich ist die Anklage blanker Unsinn. Die Gründe sind rein
politisch.
Am 6. September sollen in Bolivien Neuwahlen stattfinden. Die
De-facto-Regierung unter [1][„Interimspräsidentin“ Jeanine Áñez] hat ihr
Mandat, so es denn überhaupt verfassungsgemäß zustande kam, längst
überreizt. Denn statt den Regierungsapparat lediglich zu verwalten und
binnen drei Monaten Neuwahlen zu organisieren, krempelte sie die
bolivianische Innen-, Außen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik einmal von
links nach ganz rechts.
Mit einer „Rückkehr zur Demokratie“, wie sie Áñez bei ihrem Amtsantritt
ankündigte, hat all das nichts zu tun. Diese Regierung hat niemand gewählt.
Im Gegenteil: Morales hatte bei den Wahlen vom 20. Oktober 2019 die meisten
Stimmen erhalten. Strittig war nur, ob er tatsächlich bereits im ersten
Wahlgang den Sieg für sich beanspruchen durfte. Jüngste Nachuntersuchungen
gehen davon aus, dass der Vorwurf des Wahlbetrugs trotz der
Unregelmäßigkeiten überzogen war und Morales vermutlich tatsächlich in der
ersten Runde gewonnen hatte. Wer damals – anders als der Autor dieser
Zeilen – vom Putsch sprach, sieht sich bestätigt.
Die Coronapandemie hat der Regierung die bequeme Möglichkeit gegeben,
[2][den Wahltag ein ums andere Mal zu verschieben]. Die gleichzeitige
Kriminalisierung der jetzigen Opposition spricht dafür, dass die Rechte
kaum bereit ist, die Macht so schnell wieder herzugeben.
7 Jul 2020
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## AUTOREN
DIR Bernd Pickert
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