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       # taz.de -- Kanzlerin Merkel im EU-Parlament: „Dieses Europa ist zu Großem fähig“
       
       > Die Bundeskanzlerin hat in Brüssel eine ungewöhnlich leidenschaftliche
       > Rede gehalten. Höchste Priorität soll demnach der Schutz der Grundrechte
       > haben.
       
   IMG Bild: Merkel mit Maske am Mittwoch im Europaparlament
       
       Brüssel taz | Kommt jetzt doch noch der „Aufbruch für Europa“? Im
       [1][Europaparlament in Brüssel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am
       Mittwoch] ein ungewohnt leidenschaftliches Plädoyer für die EU gehalten.
       „Dieses Europa ist zu Großem fähig, wenn wir einander beistehen und
       zusammenhalten“ sagte sie bei der Vorstellung ihres Programms für den
       sechsmonatigen [2][deutschen Ratsvorsitz].
       
       Merkel schlug nicht nur neue Töne an, sondern sie setzte auch andere
       Akzente als bisher. Höchste Priorität sollen nun die Grundrechte genießen:
       Die Corona-Pandemie dürfe nicht als Vorwand dienen, die Demokratie oder die
       Meinungsfreiheit abzubauen. Allerdings vermied sie es, die akuten Probleme
       etwa in Ungarn oder Polen beim Namen zu nennen. Merkel kündigte auch keine
       neuen Maßnahmen an.
       
       Als zweite Priorität nannte Merkel den Zusammenhalt in den 27 EU-Staaten.
       Dem Motto des deutschen EU-Vorsitzes – „Gemeinsam Europa wieder stark
       machen“ – werde sie sich „mit aller Leidenschaft“ widmen. Vorrang genieße
       der Wiederaufbau-Plan, den sie im Mai gemeinsam mit Frankreichs Staatschef
       Emmanuel Macron vorgelegt hat. Dieser müsse schnell verabschiedet werden,
       möglichst noch vor der Sommerpause.
       
       Allerdings erwähnte Merkel nur die 500 Milliarden Euro, die sie zusammen
       mit Macron vorgeschlagen hatte – und nicht die 750 Milliarden Euro, die die
       EU-Kommission fordert. Deutschland sei zu Solidarität bereit, betonte sie.
       Man dürfe aber nicht „einseitig wirtschaftliche starke Länder belasten“.
       Der schuldenfinanzierte Wiederaufbau-Fonds müsse eine einmalige Maßnahme
       bleiben.
       
       ## Beifall für Kritik an Trump
       
       Beifall brandete auf, als Merkel US-Präsident Donald Trump und andere
       populistische Staatenlenker kritisierte. „Mit Lüge und Desinformation lässt
       sich die Pandemie nicht bekämpfen, genauso wenig mit Hass und Hetze“, sagte
       sie. „Dem faktenleugnenden Populismus werden seine Grenzen aufgezeigt.“
       Allerdings blieb offen, was Merkel gegen eine mögliche zweite Corona-Welle
       in Europa unternehmen will.
       
       Vergleichsweise kurz kam der Kampf gegen die Klimakrise zur Sprache. Merkel
       nannte ihn zwar als dritte Priorität, ging aber schnell zu anderen Themen
       über. Sie wolle ein „grüne Wirtschaft mit starken und innovativen
       Unternehmen“. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 solle rechtlich
       festgeschrieben werden, für 2030 unterstütze sie eine Verringerung des
       CO2-Ausstoßes um „50 bis 55 Prozent“.
       
       Mehrfach wandte sich die Kanzlerin direkt an die Abgeordneten. Ihrer Rede
       war anzumerken, dass sie sich um die Zustimmung des Parlaments – dem
       „Herzen der europäischen Demokratie“ – bemüht. Die Europaparlamentarier
       fordern allerdings mehr Einsatz für den Klimaschutz und einen größeren
       Wiederaufbauplan. Außerdem wünschen sie sich mehr demokratische Kontrolle
       der EU-Hilfen.
       
       „Es kann nicht sein, dass diese Mittel weitgehend an der Mitsprache des
       Europäischen Parlaments vorbeigeschleust werden“, sagte der Vorsitzende des
       SPD-Abgeordneten, Jens Geier. „Europa ist keine Cashmaschine“, warnte der
       Chef der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber. Die Auszahlung der
       EU-Gelder müsse an den Rechtsstaat gebunden werden. Dazu legte sich Merkel
       jedoch nicht fest.
       
       ## Treffen mit Niederlandes Premier
       
       Am Abend wollte sich die Kanzlerin mit den EU-Spitzen treffen, um mögliche
       Kompromisse im Streit um das künftige EU-Budget und den Wiederaufbauplan
       auszuloten. Am Donnerstag trifft sie sich in Berlin mit dem
       niederländischen Premier Mark Rutte, der sich gegen den rund 1,7 Billionen
       Euro schweren Finanzplan ausgesprochen hat.
       
       Die Gespräche dienen der Vorbereitung des EU-Gipfels am 17. und 18. Juli in
       Brüssel. Eine Einigung ist noch nicht in Sicht.
       
       8 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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