# taz.de -- Stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren: Tausende Kilometer toter Gleise
> Mehr als drei Millionen Menschen hätten Zugang zur Bahn, wenn
> stillgelegte Strecken reaktiviert würden. Verkehrsverbände präsentieren
> Vorschläge.
IMG Bild: Stillgelegte Gleise im Bahnhof Bad Iburg: Viele Verbindungen wären reaktivierbar
Berlin taz | Mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland könnten
direkten Zugang zur Eisenbahn bekommen, wenn stillgelegte Strecken
reaktiviert würden. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und das
Bündnis Allianz pro Schiene haben am Donnerstag eine [1][Liste mit
Vorschlägen für die Wieder-Inbetriebnahme] von 238 Strecken vorgelegt. Im
VDV sind rund 600 Unternehmen aus dem Personen- und Güterverkehr
organisiert. Die Allianz pro Schiene ist ein Bündnis aus Gewerkschaften,
Naturschutzverbänden und Verkehrsclubs.
Mit der Reaktivierung von 4.016 Kilometern Schiene könnten 291 Städte und
Gemeinden direkten Zugang zur Bahn bekommen. Über viele Jahre ist das
Schienennetz geschrumpft, viele Verbindungen wurden gekappt. Im Jahr 1994,
in dem die Bahnen von DDR und BRD zusammengelegt wurden, war es 44.600
Kilometern lang. Jetzt sind es nur noch 38.500 Kilometer. Immerhin ist im
vergangenen Jahr auf sechs Strecken der Personenverkehr wieder aufgenommen
worden, etwa in Baden-Württemberg zwischen den Gemeinden Engstingen
(Landkreis Reutlingen) und Gammertingen.
Die Reaktivierung von Schienen wird erheblich an Fahrt gewinnen, ist der
Vorsitzende des VDV-Ausschusses Eisenbahninfrastruktur, Jörgen Boße,
überzeugt, der Geschäftsführer der Usedomer Bäderbahn ist. „Die Menschen in
Deutschland wollen ans Schienennetz angeschlossen werden“, sagte er. Die
Reaktivierung sei einfacher als der Neubau von Strecken. In Deutschland
gelten rund 900 Orte als sogenannte Mittelzentren. 123 von ihnen sind nicht
ans Bahnnetz angeschlossen, in 120 dieser Orte sind aber die nötigen
Trassen vorhanden. Unter den vorgeschlagenen Strecken sind etwa die
Verbindungen von Basdorf in Brandenburg nach Berlin-Gesundbrunnen, von
Kiel-Oppendorf nach Schönberger Strand und von Münster nach Sendenhort.
Das wichtigste bahnpolitische Ziel der Bundesregierung ist die Einführung
eines Deutschlandtaktes mit halbstündigen Verbindungen zwischen den großen
Städten und Anschlüssen in die Regionen. Der Deutschlandtakt sei nur zu
realisieren, wenn Strecken reaktiviert werden, sagte Dirk Flege,
Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Umgesetzt werden müssen die
Vorschläge von den Kommunen und Landkreisen. Früher mussten sie
Schienenreaktivierungen komplett bezahlen.
## KommunalpolitikerInnen wollen wieder Schienenanschluss
Das hat die Bundesregierung unter anderem mit dem
Gemeindefinanzierungsgesetz geändert. Jetzt sei ein Zuschuss von bis zu 90
Prozent der Kosten durch den Bund möglich, sagte Flege. Er erwartet, dass
viele Kommunen das nutzen. „Wir segeln auf einer Riesensympathiewelle“,
berichtete er. „Bürgermeister, Landräte und Industrie- und Handelskammern
wollen ihre Schiene zurück.“ Eine Leerstelle gebe es aber bei der
Finanzierung der Reaktivierung im [2][Güterverkehr], sagte Flege. „Dafür
gibt es bislang kein Finanzierungsinstrument des Bundes.“
Die [3][Deutsche Bah]n sei bei der Streckenwiederbelebung nicht gefragt.
„Sie soll sich um das Netz kümmern, das vorhanden ist“, so Flege. „Die
Reaktivierung ist eine politische Aufgabe.“
Der bahnpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Matthias Gastel,
sieht in der Vorschlagsliste „ein starkes Signal für die Renaissance der
Schiene in der Fläche“. Die Bundesregierung müsse die Planung schneller
vorantreiben, forderte er.
9 Jul 2020
## LINKS
DIR [1] https://www.vdv.de/reaktivierung-von-eisenbahnstrecken-2020.pdfx
DIR [2] /Gueterverkehr-der-Deutschen-Bahn/!5640524
DIR [3] /Wie-die-Bahn-besser-werden-kann/!5629931
## AUTOREN
DIR Anja Krüger
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