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       # taz.de -- 25 Jahre nach dem Genozid von Srebrenica: Offene Wunden werden sichtbar
       
       > In Bosnien-Herzegowina wird unter Corona-Beschränkungen des Völkermordes
       > gedacht. Eine Aussöhnung steht weiterhin aus.
       
   IMG Bild: Am Gedenktag auf dem Friedhof von Potočari bei Srebrenica: Trauer und Entsetzen bleiben
       
       Berlin taz | Wären da nicht die Coronapandemie und die in
       Bosnien-Herzegowina seit Tagen wieder steigende Zahl von Infektionen
       gewesen, wäre das gemeinsame Gedenken am Sonntag in Potočari bei
       Srebrenica sicher noch überwältigender geworden. Vor 25 Jahren ermordeten
       dort serbisch-orthodoxe Soldaten der Armee der Republika Srpska ab dem 11.
       Juli 1995 über 8.000 muslimisch-bosniakische Jungen und Männer.
       
       Das Massaker ist [1][bis heute ein kollektives Trauma aller
       Bosniak*innen] – auch der, die bis heute im Exil etwa in Deutschland
       leben. Viele von ihnen kehren jedes Jahr zum 11. Juli zurück nach
       Bosnien-Herzegowina, um der Toten zu gedenken und vor [2][aufkeimendem
       Nationalismus] zu warnen. In diesem Jahr reisten infolge der
       Corona-Beschränkungen weniger von ihnen an, und auch sonst entschieden
       viele, im kleinen Kreis zu gedenken.
       
       Mindestabstände und Fiebermessen vor Betreten des Geländes waren dann auch
       Teil der Gedenkveranstaltung. Die meisten internationalen politischen
       Persönlichkeiten – darunter UN-Generalsekretär António Guterres und
       EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – meldeten sich per
       Videobotschaft, die vor Ort auf großen Leinwänden und über Lautsprecher
       übertragen wurde.
       
       Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier richtete sich an die
       Trauernden: „Der tausendfache Mord, der hier an muslimischen Jungen und
       Männern verübt wurde, ist in seiner Brutalität und Dimension singulär für
       Europa nach dem Zweiten Weltkrieg“, sagte er.
       
       ## Genozidleugnung bleibt ein Problem
       
       Die Vorsitzende des [3][Opferverbandes Mütter von Srebrenica], Munira
       Subašić, forderte jedoch konkrete Schritte von den Garantiemächten des
       Friedensvertrags von Dayton, der den Bosnienkrieg im November 1995
       beendete, darunter den USA und Deutschland. „Sorgen Sie für Gesetze (in
       Bosnien), die das Leugnen des Genozids unter Strafe stellen“, sagte sie.
       „Nur das wird die Anstifter des Krieges besiegen und das Erbe schützen, das
       Sie uns als den Frieden von Dayton hinterlassen haben.“
       
       Das Massaker wurde 2004 von internationalen Gerichten als Völkermord
       eingestuft – das Ziel sei gewesen, die muslimische Bevölkerung von
       Bosnien-Herzegowina zu vernichten. Trotzdem wird der Völkermord regelmäßig
       geleugnet.
       
       Erst kürzlich relativierte Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vučić das
       Massaker, indem er lediglich von „etwas, auf das wir nicht stolz sein
       sollten und können“, sprach. Auch der bosnisch-serbische Bürgermeister von
       Srebrenica, das heute in der serbisch dominierten Republik liegt,
       behauptete am Freitag, es gäbe „täglich neue Beweise, die die derzeitige
       Darstellung von allem, was passiert ist, widerlegen“.
       
       Milorad Dodik, Präsident der Republika Srpska, fällt des Öfteren mit
       ähnlichen Behauptungen auf. Als einziges Mitglied des dreiköpfigen
       Staatspräsidiums von Bosnien-Herzegowina blieb er der Gedenkveranstaltung
       am Sonntag fern.
       
       Dort wurden neun Opfer des Genozids beigesetzt, deren sterbliche Überreste
       im Laufe des vergangenen Jahres identifiziert werden konnten – oft ist es
       nur ein einziger Knochen. Bis heute gelten rund 1.200 Menschen als
       vermisst. Sie zu identifizieren wird von Jahr zu Jahr schwieriger.
       
       Auch [4][in Ruanda erinnerten Überlebende des dortigen Genozids] im Jahr
       1994 an das, was ein Jahr später in Srebrenica geschah. „Auch wenn wir weit
       voneinander entfernt leben, verbindet uns eine gemeinsame Erfahrung“, heißt
       es in einer Videobotschaft aus Kigali.
       
       12 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jana Lapper
       
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