# taz.de -- Migration und Tod in Zeiten von Corona: Auch im Leben gleich
> Es ist kein Naturgesetz, dass Migration so oft in den Tod führt. Und
> gerade in Coronazeiten gibt es für das Nichtstun keine Entschuldigung.
IMG Bild: Junge Männer auf den Weg von Niger Richtung Libyen, ein gefährliche Reise, die oft tödlich endet
Migranten und Flüchtlinge sind [1][die großen Verlierer der Coronakrise].
Nicht nur sind sie denselben medizinischen und ökonomischen Risiken
ausgesetzt wie alle anderen Menschen, sie sind darüber hinaus von
Grenzschließungen und Reisebeschränkungen besonders betroffen. Denn sie
bewegen sich von einem Land zum anderen, sie sind an mehr als einem Ort
verwurzelt und haben mehr als eine Heimat.
Die Grundlage der Covid-19-Bekämpfung ist Isolierung und Abschottung: Wer
die Zirkulation des Virus unterbindet, kann die Ausbreitung der Pandemie
erschweren. Die Grundlage von [2][Migration und Flucht sind hingegen
Bewegung und Grenzüberschreitung] – wer diese unterbricht, zerschneidet das
Leben der betroffenen Menschen.
Die [3][jetzt veröffentlichten Erkenntnisse über das Leid und das Sterben
afrikanischer Flüchtlinge auf dem Weg in Richtung Europa], lange bevor sie
auch nur das Mittelmeer erreichen, sind eigentlich nicht neu.
An Horrormeldungen über Folter in libyschen Internierungslagern oder über
das Verdursten in der Sahara-Wüste hat sich die europäische Öffentlichkeit
gewöhnt – so sehr, dass kaum jemand sich noch die Mühe macht, den
afrikanischen Flüchtlingen und Migranten in Europa zuzuhören, ihre
Geschichten zu sammeln, ihre Erfahrungen und Erinnerungen und auch ihre
Trauer und ihre Traumata zu dokumentieren. Jede und jeder, der es nach
Europa schafft, kennt Menschen, die auf der Strecke geblieben, die
unterwegs gestorben sind. Und jeder dieser Todesfälle ist ein Fall
unterlassener Hilfeleistung.
Es ist kein Naturgesetz, dass Menschen in Bewegung von ärztlicher
Versorgung abgeschnitten sind; dass sie an Wassermangel und unbehandelten
Verletzungen sterben; dass sie im brutalen Mafia-Spiel zwischen
geldgierigen Schleusern und korrupten Sicherheitskräften buchstäblich vor
die Hunde gehen.
Es ist auch kein Naturgesetz, dass Migranten zu Tausenden im Mittelmeer
ertrinken und dass die Überlebenden in EU-Ländern oftmals im
gesellschaftlichen Abseits landen und rechtlos in sklavereiähnlichen
Ausbeutungsverhältnissen leben, auf die das weiße Europa nur dann
aufmerksam wird, wenn sich dort das Coronavirus ausbreitet.
All das kann man verhindern und stoppen. Das zu tun oder eben auch nicht
ist eine politische Entscheidung.
Gerade in Coronazeiten gibt es für das Nichtstun keine Entschuldigung. Wer
Covid-19-Tote zählen kann, der kann auch tote Flüchtlinge zählen. Und etwas
gegen das Sterben tun. Im Tod sind alle Menschen gleich. Höchste Zeit, dass
das auch im Leben gilt.
29 Jul 2020
## LINKS
DIR [1] /Menschen-mit-Migrationshintergrund/!5699348
DIR [2] /EU-Fluechtlingspolitik-in-Tunesien/!5703464
DIR [3] /UN-Bericht-zu-Gewalt-gegen-Fluechtlinge/!5704754
## AUTOREN
DIR Dominic Johnson
## TAGS
DIR Schwerpunkt Coronavirus
DIR Migration
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR IG
DIR Großbritannien
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Flüchtlinge
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Prozess um erstickte Vietnames*innen: Lange Haft für Schleuser
In einem Lkw in England waren 39 Migrant*innen aus Vietnam tot entdeckt
worden. Zwei Schleuser müssen für viele Jahre in Haft.
DIR Anklage gegen Matteo Salvini: Weg frei für Prozess
Der italienische Senat hat die Immunität des früheren Innenministers
aufgehoben. Salvini hatte das Rettungsschiff „Open Arms“ auf See
festgehalten.
DIR Flucht von Tunesien nach Lampedusa: Hunderte jeden Tag
Italiens Insel Lampedusa ist Hauptziel der neuen Migrationsbewegung aus
Tunesien. Die lokalen Behörden nennen die Situation „unkontrollierbar“.
DIR UN-Bericht zu Gewalt gegen Flüchtlinge: Tödliche Reise durch Afrika
Auf ihrer Reise zur Mittelmeerküste erleiden Flüchtlinge und Migrant*innen
schwere Gewalt, viele sterben. Das geht aus einem neuen Bericht hervor.
DIR Geflüchtete aus Griechenland: Endlich angekommen
Knapp 1.000 Geflüchtete von den griechischen Inseln sollen in Deutschland
aufgenommen werden. Einige Familien sind am Freitag in Kassel gelandet.
DIR SOS Mediterranee verurteilt Maßnahme: Ocean Viking hängt fest
Die italienischen Behörden haben das Seenotrettungsschiff der NGO wieder
einmal festgesetzt. Die NGO SOS Mediterranee spricht von „Schikane“.
DIR Geflüchtete aus Eritrea: Jahrelanges Warten, Ende ungewiss
1.200 anerkannte Flüchtlinge aus Eritrea warten, ihre Familien nach
Deutschland holen zu dürfen. Die sitzen in Äthiopien, Libyen und dem Sudan
fest.