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       # taz.de -- Deutsche Hoffnung im Golfsport: „Nächstes Jahr zu Olympia“
       
       > Die erst 21-jährige Esther Henseleit hat sich 2019 in die Weltspitze
       > gegolft. Bei den Scottish Open darf sie nach Corona nun endlich wieder
       > spielen.
       
   IMG Bild: Gute Haltung: Esther Henseleit bei den Czech Open 2019
       
       Esther Henseleit ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Seit 2019 macht
       sie von sich reden. Erstens in sportlicher Sicht: weil da eine junge Frau
       von 20 Jahren plötzlich spektakulär durchstartete und Rekorde in Serie
       brach. Zweitens aus politischer Sicht: Gerüchteweise hieß es, diese
       Henseleit habe einen Caddie, der sich „mit klassenkämpferischen Reden“ als
       eine Art Gesinnungskommunist geriere. Spannend.
       
       Was ist da los? Eine Plaudertasche ist Esther Henseleit, heute 21, am
       Telefon nicht gerade. Norddeutsch zurückhaltend und höflich, kichernd auch
       mal, aber immer kontrolliert. Ende 2018 war sie in den Profizirkus
       gewechselt, mit einem Amateurhandicap von +7,2. „Das ist wohl
       Europabestmarke, aber eigentlich ist es nur ein Zeichen, dass man offenbar
       ganz gute Sachen macht.“
       
       Äh … ganz gute Sachen? Henseleit wurde in ihrem ersten Profijahr gleich zu
       Europas bester Nachwuchsspielerin („Rookie of the year“) und holte –
       Showdown – beim letzten Turnier im November, den Magical Kenya Ladies Open,
       in der Schlussrunde mit persönlicher Bestleistung und Platzrekord (64
       Schläge) einen Rückstand von sieben Schlägen auf: der erste Profisieg. Das
       hatte augenblicklich vier Folgen: Spontane Flaschbierduschen. Eine witzige,
       grellbunte Giraffe als Pokal („Die steht jetzt zu Hause im Wohnzimmer“).
       Sieg in der Jahreswertung – als Neuling. Und die Qualifikation für die
       lukrative US-Tour 2020.
       
       USA: der Traum. Die Prestigeturniere, viele Ranglistenpunkte. Dazu Olympia
       – da standen im Frühjahr die Chancen bestens, weil Henseleit in der
       Weltrangliste deutlich vor der jahrelangen deutschen US-Tour-Spielerin
       Sandra Gal stand, die fast das ganze Jahr 2019 verletzt war. Gesetzt schien
       als zweite deutsche Olympia-Starterin Caroline Masson.
       
       ## Golferins Einsamkeit
       
       Dann kam das Virus. Nur noch ödes Training daheim. Im April bekam Henseleit
       die behördliche Sondererlaubnis, als Einzige über den gesperrten Platz in
       Bad Zwischenahn zu gehen. [1][Golferins Einsamkeit]: „Ja, aber das war das
       Beste, was man draus machen konnte.“ Jetzt, im Sommer, dürfen Golfprofis
       sogar in die USA einreisen, vereinzelt gibt es Turniere. „Ich habe mich
       aber entschieden, das vorläufig auszulassen.“ Wegen der 14 Tage
       Einreisequarantäne. Vielleicht im Herbst, sagt sie.
       
       Bis dahin Lehrgänge Nationalmannschaft. Und statt USA und Tokio eben
       HuLoPo: Das ist das Spaßturnier um den 100-Loch-Pokal Anfang Juli im
       Hamburger Golf-Club Falkenstein. Abschlag um 4.30 Uhr, an die 60 Kilometer
       Fußstrecke an einem Tag. „Das war wirklich lustig. Ab Bahn 50 zählst du nur
       noch runter. Zu meiner Überraschung hatte ich am nächsten Tag nicht mal
       Muskelkater, sondern war nur unglaublich müde.“
       
       Henseleit war Waldorfschülerin. „Das ist sicher kein Nachteil beim Golf“,
       sagt sie. „Man lernt selbstständiges Arbeiten – beim Golf ist man auch oft
       selbstverantwortlich unterwegs. Man lernt viel Kreativität, und das kann
       auf dem Platz auch nur hilfreich sein.“ Mit Waldorf-Kreativität
       schwierigste Schläge aus vertrackten Bunkerlagen meistern? „Vielleicht.
       Aber ohne das technische Grundzeug geht es auch nicht.“
       
       Und der angebliche Kommunist? Im Mai des vergangenen Jahres spielte
       Henseleit eines ihrer ersten Profiturniere in Südspanien. Ein Hamburger
       Pensionär, lange mit der Familie bekannt, hatte sie in sein ausladendes
       Feriendomizil eingeladen, als Turnierbleibe: „Man unterstützt so junge
       Leute doch gern.“ Henseleit brachte ihren Hamburger WG-Kumpel Paul mit,
       Geschichtsstudent, damals auch 20, der bis dahin mit Golf nichts am Hut
       hatte und nun einmal ihre Tasche schleppen sollte. „Und der hat das richtig
       gut gemacht“, sagt Henseleit, die damals sensationell gleich Zweite wurde.
       
       ## Die jungen Leute
       
       Der junge Mann staunte über die Golfwelt des edlen La Reserva Resort in
       Sotogrande und war bald durch engagierte politische Kommentare aufgefallen,
       über Trump, über Migration. „Aber keine linke Zecke“, stellt der Gastgeber
       heute klar, „junge Leute denken oft anders über die Welt als wir
       konservativeren Alten. Und bei Trump sind wir uns sowieso einig.“ Henseleit
       lacht. „Ich will Ihre Quelle nicht schmälern. Aber der Paul ist wirklich
       niemandem unangenehm aufgefallen.“
       
       Ihre Ziele, die längst [2][mit erfahrenem Caddie] über die Plätze zieht,
       formuliert Esther Henseleit erfrischend offen: „Ich möchte dann eben
       nächstes Jahr zu Olympia, die Chancen bleiben gut. Und klar will ich mal
       Nummer 1 der Welt werden. Für diesen Traum macht man das doch. Das ist
       immer im Hinterkopf.“
       
       119 andere sind derzeit in der Rangliste nur noch vor Esther Henseleit.
       Deren Zahl wird bald abschmelzen, wenn erst mal wieder um
       Weltranglistenpunkte gespielt wird. Los geht es im August statt in Tokio
       bei Olympia mit den verspäteten Scottish Open. Dann folgen die British
       Open. „Endlich!“
       
       1 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Müllender
       
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