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       # taz.de -- Dürre, Hitze, Schädlinge: Im Wald ist der Wurm drin
       
       > Die Dürre der vergangenen Jahre setzt den Wäldern in Berlin und
       > Brandenburg massiv zu. Die Schäden werden erst jetzt richtig sichtbar.
       
   IMG Bild: Damit ist das Ende nah: Borkenkäferlarve im Holz
       
       Berlin taz | Erst die Dürre, dann die Käfer: Durch die [1][außergewöhnliche
       Trockenheit], aber auch den Hitzestress, unter denen der Wald seit
       mehreren Jahren leidet, haben Schädlinge wie der Borkenkäfer leichtes Spiel
       in den Brandenburger Forsten. Besonders Nadelbäume wie Fichten und Kiefern
       sterben ab. Im Süden des Bundeslandes sind die Schäden höher als im Norden,
       besonders betroffen ist die Kiefer im Landkreis Elbe-Elster. Auch an Berlin
       geht die Entwicklung nicht spurlos vorbei, allerdings sind die Schäden hier
       noch überschaubar.
       
       Ganze 3,1 Millionen Kubikmeter sogenanntes Schadholz werden die
       Brandenburger Forstunternehmen allein im laufenden Jahr schlagen – diese
       Zahl nennt das Potsdamer Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und
       Klimaschutz auf Nachfrage. Der normale jährliche Holzeinschlag liege
       zwischen 3,5 und 5 Millionen Kubikmetern. „Man kann also sagen, dass
       zurzeit nur Schadholz eingeschlagen wird“, sagt Ministeriumssprecher
       Sebastian Arnold.
       
       Dieses Holz sei aber praktisch nicht zu verkaufen. Denn die Waldschäden
       sind in ganz Deutschland und den Nachbarländern so extrem, dass der Markt
       zusammengebrochen ist. „Für die Waldbesitzer bedeutet das hohe finanzielle
       Einbußen“, sagt Arnold.
       
       Zahlen für das gesamte Bundesgebiet hat das Statistische Bundesamt in der
       vergangenen Woche veröffentlicht. Demnach wurde 2019 mit 32 Millionen
       Kubikmetern fast dreimal so viel Schadholz wegen Insektenschäden
       eingeschlagen wie 2018 und mehr als fünfmal so viel wie 2017. Es mehren
       sich die Stimmen, die von einem schlimmeren Waldsterben als dem der 80er
       Jahre sprechen – damals wurde der Begriff geprägt, Verursacher waren aber
       weniger klimatische Einflüsse als der durch Industrieabgase erzeugte „saure
       Regen“.
       
       ## Die Kiefer stirbt selten weiträumig ab
       
       Während in vielen Regionen West- und Süddeutschlands ganze Waldstriche kahl
       und grau herumstehen, verteilt sich [2][das Phänomen in Brandenburg]
       stärker. Das liegt an der Dominanz der Kiefer mit immer noch 70 Prozent des
       märkischen Baumbestands. „Die Kiefer stirbt selten flächig ab, wie es die
       Fichte durch den Borkenkäfer tut“, erklärt Ministeriumssprecher Arnold,
       „und die Fichte spielt in Brandenburg mit rund 1,7 Prozent nur eine
       untergeordnete Rolle.“
       
       Das Absterben von Altbäumen sei aber dennoch „grundsätzlich eine
       Katastrophe“. Der Umbau zu Mischwäldern, den Brandenburg anstrebt, könne
       „nur im Schatten und unter dem Schutz von Altbäumen gelingen“. Ungeschützte
       Freiflächen seien aufgrund höherer Temperaturextreme sowie stärkeren
       Wasser- und Nährstoffabfluss schwieriger mit neuen Baumarten zu bepflanzen.
       
       Auch in Berlin gibt es bislang keine flächendeckend abgestorbenen
       Waldbestände. Das bestätigt Derk Ehlert, Sprecher bei der Senatsverwaltung
       für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. „Allenfalls sind es Einzelbäume in den
       Beständen, in erster Linie alte Birken, Kiefern und Fichten.“
       Sonnenbestrahlte Waldränder wiesen dabei eine stärkere Schädigung als die
       übrigen Waldbereiche auf. Grundsätzlich zeigten die vergangenen
       Waldzustandsberichte aber eine deutliche Schädigung des Berliner Waldes.
       
       ## Schüttere Baumkronen
       
       Was Trockenheit und Hitzestress anrichten, zeige sich erst mit zeitlichem
       Abstand, erklärt Ehlert: „Wir sehen jetzt die Schäden, die in den Jahren
       2018 und 2019 entstanden sind.“ Das seien in erster Linie schüttere
       Baumkronen.
       
       Im vergangenen Jahr, dem die Rekorddürre von 2018 voranging, habe es auch
       viel Astbruch gegeben: „Die Bäume trennen sich dann von einem Teil ihrer
       Blätter, um die Verdunstung zu verringern.“ Im ganzen Jahr 2018 wurden etwa
       in Dahlem laut Deutschem Wetterdienst nur 360 Millimeter Niederschlag
       gemessen, das langjährige Mittel – sozusagen die Niederschlags-„Norm“ –
       beträgt dort 590 Millimeter.
       
       Im laufenden Jahr hätten viele BerlinerInnen den Eindruck, es habe ein Ende
       mit der Trockenheit: „Es regnet doch dauernd“, höre er immer wieder, sagt
       Ehlert. Nur: In der Summe sei das nicht genug. „Auch wenn es 2020 mehr
       Niederschläge gibt als in den beiden Vorjahren, liegen wir klar unter dem
       langjährigen Schnitt.“ Abgesehen vom Februar, in dem tatsächlich jede Menge
       Wasser von Himmel fiel, habe es jeden Monat nur 60 bis 70 Prozent des
       langjährigen Mittels geregnet.
       
       Auch aus Potsdam heißt es, es seien „lang anhaltende Regenfälle
       erforderlich“, um die Defizite auszugleichen, die in den vergangenen beiden
       Jahren aufgelaufen seien. „Der Boden in tieferen Schichten ist noch immer
       ausgetrocknet“, sagt Ministeriumssprecher Arnold.
       
       ## Die Statistiken haben es in sich
       
       Niederschlagsstatistiken haben es übrigens in sich: Einerseits kommt es
       darauf an, wie man die Messwerte zusammenfasst. Betrachtet man die bislang
       über das Jahr 2020 gefallene Regenmenge, liegt diese immerhin bei 86
       Prozent des langjährigen Mittels.
       
       Allerdings war, wie schon erwähnt, der Februar extrem nass, während im
       April fast kein Tropfen fiel. Andererseits hilft es dem Wald auch nicht
       viel, wenn jeden Monat wenige sehr starke Niederschlagsereignisse für „gute
       Prozentzahlen“ sorgen: Diese Mengen kann der Boden dann gar nicht so
       schnell aufnehmen, wie sie über die Oberflächengewässer abtransportiert
       werden.
       
       Der Blick auf die langfristige Entwicklung der Niederschlagsmengen seit
       1881 zeigt sogar, dass diese leicht ansteigen. In den Nullerjahren, aber
       auch 2017 fiel deutlich mehr Regen als im langjährigen Mittel. Bloß: Starke
       Ausschläge nach unten wie in der aktuellen Dürreperiode können dem Wald
       gehörig zusetzen.
       
       3 Aug 2020
       
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       ## AUTOREN
       
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