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       # taz.de -- „Covidioten“ und Sprachkritik: Am Rande der Gesellschaft
       
       > Wer gegen Corona-Schutz demonstriert, beklagt sich schnell über
       > Beleidigungen. Und tatsächlich gibt es bessere Bezeichnungen für sie als
       > „Idiot“.
       
   IMG Bild: Mittelfinger gegen Corona-Demonstration: eine Gegendemonstrantin am Samstag in Berlin
       
       Heute ist er ein Blödmann, wahlweise ein Tollpatsch. Vor langer Zeit war er
       jedoch mal etwas ganz anderes: der Idiot. In der Gegenwart zielt das Wort
       als Beleidigung vor allem auf die Intelligenz einer Person ab. Deshalb
       bekommt etwa SPD-Chefin Saskia Esken derzeit Kritik, weil sie die
       [1][Teilnehmer*innen der Großdemo am vergangenen Samstag] als Idioten
       bezeichnet hat. [2][Bei Twitter schrieb Esken]: „Tausende #Covidioten
       feiern sich in #Berlin als ‚die zweite Welle‘, ohne Abstand, ohne Maske.“
       Dafür wird ihr wahlweise vorgehalten, dass das unter die Gürtellinie gehe
       oder gefährliche Verschwörungsmythen und neonazistische Bewegungen
       verharmlose.
       
       Das Hashtag #Covidioten hat Esken nicht erfunden, es ist so alt wie die
       Pandemiemaßnahmen selbst. Noch viel älter ist dagegen der Begriff Idiot, er
       hieß damals aber etwas ganz anderes. Im Griechischen der antiken Demokratie
       waren idiotes keine, nun ja … Idioten – sondern Männer, die keine Lust
       hatten, am gemeinsamen politischen Prozess in der attischen Polis
       teilzunehmen.
       
       Anstatt, wie vorgesehen, mit anderen wohlhabenden Männern über mondäne
       Realpolitik zu debattieren, blieben die idiotes zu Hause und sorgten sich
       nur um den eigenen Haushalt und die Vermehrung des persönlichen Reichtums.
       
       Der Begriff meinte damals so etwas wie „Egoist“, oder, feiner,
       „Privatmann“. Hier nicht gegendert geschrieben, denn die politischen
       Meinungen von Frauen waren in der sogenannten Demokratie der alten Griechen
       ohnehin nicht vorgesehen, genauso wenig wie die von Männern ohne Besitz.
       
       Wenn man also den Begriff in der ursprünglichen Bedeutung nähme für
       Menschen, die sich zum Wohl der Gemeinschaft noch nicht mal eine Stoffmaske
       überziehen möchten, dann passt es in der Tat ganz gut. Aber natürlich ist
       es albern, bei Begriffen danach zu forschen, wie sie früher mal gemeint
       waren. Sprache transportiert immer das, was sie in der Gegenwart
       transportiert. Idioten im griechischen Sinne, also Menschen, die sich
       möglichst wenig für die Politik der Vielen interessieren und dafür um so
       mehr für den eigenen Wohlstand, heißen heute anders. Zum Beispiel
       „neoliberal“.
       
       3 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Reaktionen-auf-Coronademo-in-Berlin/!5705251
   DIR [2] https://twitter.com/EskenSaskia/status/1289518034621612032?s=20
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Weissenburger
       
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