URI: 
       # taz.de -- Corona und Influenza: Australien hustet anders
       
       > Eigentlich fordern Grippewellen in Australien hunderte Todesopfer. In
       > diesem Jahr aber wirken die Corona-Maßnahmen auch gegen Influenza.
       
   IMG Bild: Melbourne im Winter: Normalerweise ist in Australien jetzt Grippesaison
       
       Ein Husten, der einfach nicht weggehen will. Dazu Schnupfen,
       Körperschmerzen, Fieber. Symptome, die Zeichen einer Infektion mit dem
       Coronavirus sein können. Doch nicht nur: Wer hustet und Schnupfen hat, dazu
       erhöhte Temperaturen, könnte auch einfach nur eine Grippe haben –
       [1][Influenza]. Vor allem im Winter. In Australien ist jetzt Winter, und
       damit Grippesaison. Normalerweise fordert die Grippewelle in jedem Jahr
       auch auf der anderen Seite der Welt Hunderte Todesopfer, vor allem unter
       älteren Menschen und solchen mit gesundheitlichen Problemen. Nicht aber in
       diesem Jahr.
       
       Während 2019 zwischen Januar und Juni 430 Menschen an der Folge von Grippe
       starben, waren es in diesem Jahr gerade mal 36. „Der Hauptgrund dafür ist
       die soziale Distanz“, sagt Professor Ian Barr, einer der führenden
       Grippeexperten der Weltgesundheitsorganisation WHO, in der australischen
       Stadt Melbourne. Seit April meldeten Ärzte und Spitäler keinen einzigen
       Todesfall mehr, der auf Influenza zurückzuführen ist.
       
       So ironisch es klingen mag: Man kann zumindest indirekt Covid-19 für diesen
       Rückgang danken. Denn die Maßnahmen, die Behörden rund um den Globus
       beschlossen haben, um die [2][Ausbreitung des Coronavirus] zu verhindern,
       sind auch gegen Grippe wirksam. Corona und gewöhnliche Influenzaviren
       verhielten sich genau gleich, erklärt Barr. Sie würden von einem Menschen
       auf den anderen springen, durch Husten, durch Niesen, durch Händeschütteln.
       „Wenn man die Menschen also voneinander trennt, wenn man gute Handhygiene
       praktiziert, Schulen schließt – ganz besonders effiziente Verbreiter von
       Viren –, dann hat das Konsequenzen für alle Atemwegkrankheitserreger.“
       
       Australien führt solche Beschränkungen besonders strikt durch. Die
       internationalen Grenzen sind seit Monaten geschlossen. Touristen sind
       längst ausgereist – mit verheerenden Folgen für die Reiseindustrie. Nur
       noch heimkehrende Australier werden ins Land gelassen. Sie müssen unter
       Androhung von Haft- und Geldstrafen zwei Wochen lang in einem Hotel in die
       Isolation – mit einem Wächter vor der Tür. Sogar zwischen einzelnen
       Gliedstaaten kann man nur noch unter bestimmten Bedingungen reisen, oder
       gar nicht. Der Bundesstaat Victoria ist wegen [3][einer zweiten Welle von
       Coronafällen in Melbourne] praktisch abgesperrt vom Rest des Landes.
       
       ## Die Wartezimmer sind deutlich weniger gefüllt
       
       Die Folgen dieser Maßnahmen spüren in diesen Wochen vor allem die
       Hausärzte. Ihre Warteräume sind deutlich weniger mit hustenden und
       schnäuzenden Patientinnen und Patienten gefüllt als sonst im Winter. Zum
       einen weil gemäß behördlicher Verordnung jeder mit solchen Symptomen sofort
       zum Test in eine Covidklinik muss, zum anderen wegen der strikten
       Selbstisolation. Es gibt dramatisch weniger Influenza-Leidende. Ganze
       21.000 Menschen wurden zwischen Januar und Juni mit Grippe diagnostiziert.
       Im letzten Jahr waren es im selben Zeitraum 132.000.
       
       Dass sich immer mehr Australier gegen Grippe impfen lassen, erkläre den
       signifikanten Rückgang der Grippefälle nicht, so Barr. Die jährliche
       Impfung gegen Grippe sei in Australien im Vergleich zu anderen Ländern zwar
       relativ gut verbreitet. 8,8 Millionen Menschen ließen sich in Australien
       zwischen März und Juli gegen Grippe impfen – zwei Millionen mehr als im
       Vorjahr. Ältere und Patienten mit Lungenproblemen können sich kostenlos
       injizieren lassen. Doch seien die modernen Grippeimpfungen, die gegen die
       neusten Grippevirenstämme entwickelt würden, alles andere als eine perfekte
       Waffe im Kampf gegen die Krankheit. „Die jährliche Grippeimpfung ist
       vielleicht in 60 Prozent aller Geimpften wirksam.“
       
       Der Professor ist vorsichtig optimistisch, wenn er im Gespräch mit der taz
       eine Prognose für die kommende Grippesaison in der nördlichen Hemisphäre
       abgeben soll, den europäischen Winter. „Es hängt wirklich davon ab, wie
       weit in den einzelnen Ländern die Beschränkungen bestehen bleiben, was die
       Bewegungsfreiheit der Menschen angeht, die Handhygiene, das Tragen von
       Masken. Wenn aber nur einige dieser Maßnahmen weitergeführt werden, erwarte
       ich auch für Europa einen dramatischen Rückgang der Zahl der Grippefälle.“
       
       5 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Folgen-von-Impfluecken/!5473679
   DIR [2] /Weltweit-mehr-Corona-Infektionen/!5705204
   DIR [3] /Corona-Virus-in-Australien/!5698581&s=Australien/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Urs Wälterlin
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Grippe
   DIR Australien
   DIR Influenza
   DIR Pazifik
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Flugreisen
   DIR Rupert Murdoch
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Schiffbrüchige in Mikronesien: Hilferuf à la Tom Hanks
       
       Drei Männer stranden auf einer mikronesischen Trauminsel – und machen ganz
       traditionell auf sich aufmerksam. Mit Erfolg.
       
   DIR Segeln im Corona-Jahr 2020: Entspannt in ein seltsames Jahr
       
       Erik Heil und Thomas Plössel sind in Rio zu Bronze gesegelt. Für Tokio sind
       sie so gut wie qualifiziert. Jetzt geht es vor allem ums Material.
       
   DIR Reisebüros und Corona: „Die ganze Branche ist todkrank“
       
       Reisebüros planen und verkaufen die schönsten Tage des Jahres. Ein
       emotionaler Job, sagt Familie Wolf aus Essen. Mit Corona kam bei ihnen die
       Krise.
       
   DIR Kampagnenjournalismus in Australien: Der Kulturkrieg der Murdoch-Medien
       
       Rupert Murdoch besitzt eines der größten Medienkonglomerate der Welt. Auch
       in Australien zeigt sich, welche Macht der Konservative hat.