# taz.de -- Verhinderte Seenotrettung: Zynisch und menschenverachtend
> Die humanitäre Lage spitzt sich weiter zu. Weil sämtliche Rettungsschiffe
> festgesetzt sind, ertrinken im Mittelmeer die Menschen.
IMG Bild: Geflüchtete auf der Ocean Viking Anfang Juli
Die humanitäre Lage im zentralen Mittelmeer hat sich dramatisch zugespitzt:
Obwohl in den vergangenen Wochen mehr Menschen versuchten, in
seeuntauglichen Booten aus der Hölle Libyens zu fliehen, sind inzwischen
fast alle zivilen Seenotrettungsschiffe in Italien festgesetzt. Seit dem
22. Juli wird auch [1][unser Schiff, die „Ocean Viking“], in Sizilien
festgehalten. Wegen angeblicher Sicherheitsmängel werden wir am dringend
notwendigen Einsatz gehindert. Es ist ein Skandal: Wegen der politisch
gewollten Festsetzungen ist derzeit kein ziviles Seenotrettungsschiff im
Mittelmeer im Einsatz.
Mit fadenscheinigen Begründungen werden wir am Auslaufen gehindert, um das
Anlanden von Geretteten in Europa zu verhindern. SOS MEDITERRANEE und
anderen NGOs wird zum Beispiel vorgeworfen, nach Rettungen mehr
„Passagiere“ befördert zu haben, als in ihren Schiffspapieren angegeben
ist. Ein absurder Vorwurf, denn Schiffbrüchige sind keine Passagiere.
Dieses politische Manöver, [2][um jeden Preis zu verhindern, dass gerettete
Menschen nach Europa gebracht werden], ist zynisch und menschenverachtend.
Allein in den letzten acht Wochen haben die zivilen Aufklärungsflugzeuge im
zentralen Mittelmeer über 2.100 Personen in Seenot dokumentiert. Die
europäischen Behörden nehmen billigend in Kauf, dass dort in den
vergangenen Monaten Hunderte Menschen ertrunken sind. Weil staatliche
Seenotrettung eingestellt wurde, sind die zivilen Seenotrettungsschiffe der
NGOs unverzichtbar. Durch ihre gezielten Blockierungen sterben Menschen,
die wir hätten retten können.
SOS MEDITERRANEE fordert, die Schiffe sofort freizulassen. Darüber hinaus
kann eine nachhaltige Lösung nur aus Brüssel kommen. Ohne eine europäische
Lösung für die [3][humanitäre Katastrophe im Mittelmeer] wird die Blockade
ziviler Seenotrettung und das Sterben im Mittelmeer weitergehen.
Deutschland muss sich deshalb jetzt mit der EU-Ratspräsidentschaft für
einen solidarischen Verteilmechanismus und eine europäisch koordinierte
Seenotrettung einsetzen.
7 Aug 2020
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## AUTOREN
DIR Jana Ciernioch
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