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       # taz.de -- Nach der Explosion in Beirut: Angst vor Hunger – und Korruption
       
       > Nur langsam erholt sich die libanesische Hauptstadt. Es fehlt vor allem
       > an Strom, Essen und Unterkünften. Doch es gibt auch große Solidarität.
       
   IMG Bild: Der französische Präsident Emmanuel Macron bei seinem Besuch in Beirut am Donnerstag
       
       Beirut taz | Die Glassplitter sind von den Straßen gefegt, gebrochene
       Bilderrahmen, Plastikstühle, Blumen und Schutt liegen zu Türmen auf den
       Gehwegen. Langsam erholt sich Beirut von der Explosion am Hafen, durch die
       am Dienstagabend mindestens 135 Menschen starben und rund 5.000 verletzt
       wurden.
       
       [1][Auf den Straßen räumen Geschäftsbesitzer ihre Läden auf], entstauben
       oder entfernen zerbrochene Scheiben, während in den Wohnhäusern
       Türschlösser repariert oder verzogene Türen geradegerückt werden. Während
       die einen mit zerbrochenen Fensterscheiben leben, hat es bei anderen
       Treppenhäuser oder Balkone eingerissen, Türen liegen zwischen Schutt und
       machen Wohnungen unbewohnbar.
       
       Menschen ziehen mit gepackten Taschen durch die Viertel, die es am
       schlimmsten betroffen hatte: Das armenische Viertel Bourj Hammoud, Mar
       Mikhael, Ashrafieh und die Innenstadt. Viele sind zunächst bei Verwandten
       oder Bekannten untergekommen, einige abseits der Hauptstadt Beirut, in den
       Bergen oder kleineren Städten, in denen sie durchatmen können.
       
       Rettungsteams durchforsteten auch am Donnerstagmittag die Trümmer noch nach
       Überlebenden. Andere suchten i[2][n den sozialen Medien] nach ihren
       Angehörigen – noch immer werden dutzende Menschen vermisst, wie das
       Gesundheitsministerium mitteilte.
       
       ## Die Not der Krankenhäuser
       
       Die Situation in den Krankenhäusern stabilisiert sich nur langsam. Das
       [3][libanesische Rote Kreuz teilte mit], dass 12 Krankenhäuser in Beirut
       und Umgebung mit medizinischer Notfallversorgung ausgerüstet wurden,
       Verwundete jedoch auf Parkplätzen behandelt werden mussten. Viele
       Ärzt*innen und Pfleger*innen arbeiteten bis tief in die Nacht, um die
       Versorgung zu garantieren.
       
       Diverse Krankenhäuser wurden durch die Explosion beschädigt, darunter das
       nahe am Hafen gelegene Sankt-Georg-Krankenhaus. Dort stürzten die Wände ein
       und töteten Krankenpfleger*innen. Die Scheiben des Krankenhauses sind
       komplett zersprungen. Das Krankenhaus bat um Spenden von Stromgeneratoren,
       [4][da Ärzt*innen mit Lampen ihrer Handys auskommen mussten].
       
       Beirut leidet seit dem Bürgerkrieg an einem maroden Energiesektor, gelenkte
       Stromausfälle werden seit jeher mit privaten Generatoren überbrückt. Diese
       müssen mit Benzin betrieben werden, das dem Land aufgrund der
       Wirtschaftskrise ausgeht.
       
       Medizinisches Personal, das mit der Wirtschafts- und Coronakrise im Juli
       aus dem renommierten Uniklinikum der Amerikanischen Universität entlassen
       wurde, meldete sich dort freiwillig, um Verletze zu versorgen. Jugendliche
       der Fridays-for-Future-Bewegung und anderen nichtpolitische Gruppen
       schlossen sich zusammen, kochten, halfen Wohnungen aufzuräumen.
       Hilfsorganisationen wie die Caritas und lokale NGOs verteilten
       Wasserflaschen an Betroffene.
       
       ## Hilfe durch die Luft
       
       Die Angst vor einer Lebensmittelknappheit ist groß. Das libanesische Pfund
       verlor in den vergangenen Monaten rund 80 Prozent an Wert. Die Regale in
       den Supermärkten waren zwar gefüllt – die Menschen konnten sich das Essen
       aber nicht leisten. Der Libanon ist auf Importe von Weizen, Benzin und
       Medizin angewiesen.
       
       Doch nun klafft ein Krater mit 200 Meter Durchmesser im Hafen, der
       unbenutzbar ist. Viele Länder wie der Iran, die Golfstaaten, Deutschland
       und Frankreich haben Hilfslieferungen per Flugzeug angekündigt.
       
       Während Hunderte Menschen in der Nähe der Innenstadt die Straßen fegten,
       fuhr Frankreichs Präsident Macron am Donnerstagmittag durch die Menge. Wie
       das Video eines lokalen Journalisten auf Twitter zeigt, rief ihm die Gruppe
       zu: „Die Menschen wollen den Sturz des Regimes.“
       
       ## Macrons Garantie
       
       Der Slogan stammt von den arabischen Protesten im Jahr 2011 und wurde bei
       den Massenprotesten im Oktober 2019 im Libanon benutzt. Die Protestierenden
       gingen damals gegen ihre politische Elite auf die Straße, der sie
       Korruption und Missmanagement vorwerfen. Der Hafen sowie die Zollbehörde
       sind einige der korruptesten und lukrativsten Institutionen des Libanons.
       Zahlreiche Gruppierungen, Politiker und die Hisbollah haben dort Einfluss.
       
       Davor, dass Gelder durch Korruption auch in dieser Zeit entzogen werden
       könnten, warnte auch Macron bei seinem Besuch. Vor der wütenden
       Menschenmenge in Beirut versprach er, dass die französische Hilfe nicht in
       korrupte Hände fließen werde. „Ich garantiere euch das“, sagte Macron.
       
       10 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/Nadia_Hardman/status/1291044300923510784
   DIR [2] https://www.instagram.com/locatevictimsbeirut/
   DIR [3] https://twitter.com/ICRC/status/1291023209891090439?s=19
   DIR [4] https://twitter.com/mahmoud_7kam/status/1290801911130738690?s=19
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Neumann
       
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